Rüttgers macht den Weg frei
Nach dem Rückzug des Vorsitzenden im Frühjahr drohen massive Machtkämpfe um die Nachfolge in Fraktion und Partei.
Düsseldorf. Die NRW-CDU steht vor dem größten Umbruch ihrer jüngeren Geschichte: Jürgen Rüttgers, der Mann, der die Partei lange Jahre dominierte und sie 2005 erstmals seit Jahrzehnten in die Regierung führte, will im Frühjahr alle politischen Ämter, also als CDU-Landeschef und CDU-Bundesvize, niederlegen. Der Partei droht ein Machtkampf.
"Ich will den Prozess der kommenden Monate moderieren. Dazu habe ich den Auftrag der Basis", sagte am Freitag ein blasser Rüttgers in der Staatskanzlei. Am Donnerstagabend hatte er im Essener Saalbau die Flucht nach vorn angetreten.
Bei einer Konferenz mit den Kreisvorsitzenden der CDU erklärte Rüttgers gleich zu Beginn, alle politischen Ämter im kommenden Jahr niederlegen zu wollen. Damit war er nach Einschätzung führender Kreise der CDU-Landtagsfraktion einer geharnischten Abrechnung zuvorgekommen.
Rüttgers sieht sich nun offenkundig als Nachlassverwalter in eigener Sache. "Das muss in Ruhe aufgearbeitet werden. Ich warne vor Schnellschüssen", sagte er am Freitag. In Essen wurde er hinter verschlossenen Türen noch deutlicher: "Wir müssen nun geschlossen bleiben, wir dürfen uns nicht auseinandertreiben lassen."
Offenkundig will Rüttgers mit diesem Appell zweierlei erreichen: Dass seine Rolle beim Absturz am 9. Mai nicht kritisch hinterfragt wird und dass seine Getreuen eine Chance im Gerangel um seine Nachfolge in Fraktion und Partei erhalten.
Das sind Andreas Krautscheid und Karl-Josef Laumann. Krautscheid hat Rüttgers oft gedient - als Sprecher, als Minister und dann als Parteimanager. Er ist eloquent und hat seine Qualitäten in der Attacke. Krautscheid will Parteichef werden. Laumann strebt den Fraktionsvorsitz an. Der Schlosser aus dem Münsterland ist Chef der CDA, war als Arbeitsminister treu an der Seite des "Arbeiterführers" Rüttgers.
Hauptkonkurrent für Laumann ist Armin Laschet, der als Integrationsminister Liebling der Talkshows war, aber konservativen CDU-Leuten ein rotes Tuch ist. Doch in der neuen Landtagsfraktion gibt es mehr als 20 Neulinge, darunter viele Junge. Laschets Chancen sind gestiegen.
Auf den CDU-Landesvorsitz schielen auch Oliver Wittke, der rührige Chef der Ruhrgebiets-CDU, der derzeit ohne Mandat ist, aber über mächtige Fürsprecher verfügt (Norbert Lammert) und die Partei aus dem Effeff kennt.
Norbert Röttgen wiederum, der in Berlin als Umweltminister als Vordenker einer modernen CDU gilt, hat ebenfalls Interesse am CDU-Landesvorsitz. Er ist Chef des Bezirks Mittelrhein und will sich wohl auch mit Blick auf die weitere bundespolitische Karriere eine noch größere Machtbasis schaffen.
Es sind spannende Prozesse, die Rüttgers moderieren will. Seinen Anteil an der Niederlage brachte er auf den Nenner: "Ich habe zu lange an den sicheren Sieg geglaubt." Es kam anders. So wird das Essen, dass Rüttgers seinem Vorvorgänger Wolfgang Clement (Ex-SPD) am 7. Juli aus Anlass von dessen 70. Geburtstag ausrichtet, eine seiner letzten Amtshandlungen sein.