Sauerland-Prozess: Mauer des Schweigens fällt
Die mutmaßlichen islamistischen Terroristen kündigen Geständnisse an. Das Gericht stellt daraufhin mildere Strafen in Aussicht.
Düsseldorf. Der mutmaßliche Terrorist Adem Yilmaz verlor in dem Geduldsspiel als erster die Nerven. Schon am vergangenen Freitag hatte er bei einem Besuch seiner Familie im Wuppertaler Gefängnis angekündigt, im Sauerland-Prozess ein umfassendes Geständnis abzulegen. Das wurde eifrig notiert von den mithörenden Beamten des Bundeskriminalamts und von Yilmaz mit der Bitte versehen, dies dem Gericht kund zu tun. Dienstag nun bekräftigte der 29-Jährige seine Absicht vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht.
Alle vier Angeklagten durften sich daraufhin erstmals gemeinsam besprechen, und nach kurzer Zeit stieg weißer Rauch auf: Alle werden Geständnisse ablegen, erklärten die Verteidiger. Richter Ottmar Breidling zeigte sich erleichtert und stellte einen spürbaren Rabatt bei den Freiheitsstrafen in Aussicht, wenn aufrichtig und umfassend gestanden werde.
Ausgerechnet der bislang so flegelhaft auftretende Yilmaz, gegen den das Gericht bereits mehrere Wochen Ordnungshaft verhängt hatte, kann mit seinem Vorstoß nun den Durchbruch für sich beanspruchen und auf den größten Strafnachlass hoffen. Dabei gehe es ihm darum gar nicht, erklärte er dem verblüfften Publikum: Ihm sei schlicht langweilig. Er wolle nicht mehr. Beim Gericht rannte er dennoch offene Türen ein.
Nach sieben Wochen und 15 Verhandlungstagen ist damit die bisherige Verteidigungsstrategie überholt. Es mache keinen Sinn, weiter zu schweigen, um dann im Urteil die "volle Packung" zu erhalten, erklärte Yilmaz und kam damit vermutlich seinem Mitangeklagten Atilla Selek knapp zuvor. Dessen Verteidiger hatte angesichts der gewaltigen Beweisfülle und des vergleichsweise geringen Tatbeitrags seines Mandanten ebenfalls ein baldiges Geständnis in Aussicht gestellt.
Mit seiner Hoffnung auf ein schnelles Ende des Prozesses könnte Yilmaz sich allerdings täuschen. Der Senat hat schon in früheren Terrorverfahren Geständnisse monatelang und akribisch genau überprüft.
Das Gericht ist vor allem an den internationalen Strukturen des islamistischen Terrors interessiert, wie Richter Breidling durchblicken ließ. Er zitierte gestern einen Medienbericht, der auf eine Nähe der Islamischen Dschihad Union (IJU) zum Terror-Netzwerk El Kaida verweist. Breidling geht es dabei besonders auch um Hintermänner, Geldgeber, Verbindungsleute und Führungsstrukturen der IJU.
Dass die Mauer eisigen Schweigens, auf die das Gericht bei seinen Befragungsversuchen zum Prozessauftakt stieß, bald fallen würde, zeigte sich erstmals Mitte Mai. Ein Zettel wurde damals bei dem Angeklagten Daniel Schneider gefunden. Aus dem an Yilmaz gerichteten Kassiber geht hervor, dass die mutmaßlichen Terroristen bereits rege über Sinn und Zeitpunkt eigener Aussagen diskutierten.
Richter Breidling appellierte am Dienstag an die größtmögliche Offenheit der Angeklagten: "Butter bei die Fische. Alle Karten auf den Tisch - und zwar offen, nicht gezinkt."