Analyse Schulbücher: Migration erscheint immer noch als Problem

Schulbücher ignorieren immer noch häufig die Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist — sagen Experten.

Auch heute noch arbeiten Schüler mit Lernmitteln, die Klassenkameraden mit Migrationshintergrund benachteiligen.

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Düsseldorf. Deutschland ist Einwanderungsland — darüber herrscht Einigkeit in Theorie und Praxis. Gleichwohl findet diese Erkenntnis nur schwer Eingang in die Schulbücher. Die Schulbuch-Studie „Migration und Integration“, die das Georg-Eckert-Institut im Auftrag der Bundesregierung erstellt hat, hat dies im Frühjahr offengelegt: In den Lernmitteln werden Migration als Problem und (einwanderungsbedingte) Diversität als Ausnahme dargestellt — immer noch. Auf einer Fachtagung des Schulministeriums NRW und der Medienberatung NRW wurde am Mittwoch in Düsseldorf die Studie besprochen und nach Lösungen gesucht.

„Mehmet ist Ausländer. Ausländer sind häufiger kriminell“, heißt es in einem Schulbuch, das wenige Zeilen später die Schüler dazu auffordert, ihre ausländischen Klassenkameraden nach ihren Identitätsproblemen zu befragen. Nicht immer ist Diskriminierungs so auffällig, wie in jenem Schulbuch Ende der 90er Jahre. Aber Fragen wie „Ist die multikulturelle Gesellschaft Fluch oder Segen?“ oder „Wie steht es eigentlich mit unserem Wissen über ’sie’, die Ausländer?“ stammen aus aktuellem Unterrichtsmaterial, das überdies auch heute noch Kriminalität und Ausländer gern in einem Atemzug nennt. Die Leiterin der Studie, Inga Niehaus, stellte fest: „Migranten werden zu unpersönlichen Objekten gemacht. Ihre Mitschüler lernen, diskriminierend über sie zu sprechen.“

Niehaus präsentierte einige Ergebnisse der Studie. Schon die Wortwahl sei oft negativ. Ausländer, Fremde, Migranten werden synonym benutzt, Armutsflucht und Illegalität gern in einen Topf geschmissen. Auch sei von „den“ Türken und „den“ Deutschen die Rede. Die Integration der Migranten werde im Sinne eines Anpassens an die deutsche, homogen verstandene Gesellschaft dargestellt, die Integrationsleistungen des deutschen Staates dagegen positiv beschrieben.

Migranten erschienen als „passiv Betroffene widriger Umstände“, die gleichwohl die nationalstaatliche Ordnung bedrohen. Historische Zusammenhänge (Stichwort Kolonialismus) werden ausgeblendet, ebenso der Zusammenhang von Migration und gesellschaftlicher Mobilität, die doch charakteristisch für die moderne Gesellschaft sei. Vielfalt als Chance für die Gesellschaft — allzu oft Fehlanzeige.

In der Politik ist das Problem angekommen: „Wir haben es weniger mit einem Erkenntnis-, als mit einem Vollzugsdefizit zu tun“, verwies NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (SPD) am Mittwoch auf den breiten Konsens in Sachen Integration hin. In ihrem Grußwort forderte sie dazu auf, besonders auf die heimlichen diskriminierenden Lerninhalte zu achten und warb überdies für das „vorbildliche“ Bundesprogramm „Schule ohne Rassismus“, an dem bereits 450 Schulen in NRW teilnähmen.