Unfallstatistik 2016 Smartphone — „Seuche im Verkehr“

Das Unfallrisiko wird durch Mails schreiben und Chatten deutlich erhöht. Kontrollen und Strafen sollen dem Trend gegensteuern.

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Düsseldorf. „Die Ablenkung durch Smartphones im Straßenverkehr ist zu einer regelrechten Seuche geworden.“ NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz eindringlich vor den Gefahren, die der sorglose Umgang mit Smartphone, Tablets und Co. mit sich bringt. Vom Fußgänger über den Fahrradfahrer bis hin zum Auto- oder Lastwagenfahrer erhöht ihr Gebrauch das Unfallrisiko erheblich, so Jäger.

„Wenn ein Auto auf gerader Strecke von der Straße abkommt oder ein Lastwagen in ein Stau-Ende kracht, liegt der Verdacht nahe, dass die Fahrer abgelenkt waren“, sagte Jäger. Insgesamt 164 000 Handyverstöße wurden 2016 geahndet. Das bedeutet eine Zunahme von elf Prozent. Nordrhein-Westfalen setzt laut Jäger deshalb neben Prävention und Aufklärung vor allem auf empfindliche Strafen. Dazu fehle es bisher aber an tauglichen Gesetzen. An diesem Punkt müsse nachgebessert werden, forderte der NRW-Innenminister und sieht dabei die Bundesregierung in der Pflicht.

Besonders eklatant angestiegen ist die Zahl der Handynutzungen auf Fahrrädern. 2016 gab es rund 22 000 festgestellte Verstöße, das sind über 41 Prozent mehr als im Vergleich zu 2015. Die Zahl der tödlich verunglückten Fahrradfahrer ist von 68 auf 69 zwar nur leicht gestiegen, dennoch will das NRW-Innenministerium auch in diesem Bereich mehr Kontrollen durchführen lassen.

Wenn jemand auf seinem Drahtesel mit Handy erwischt wird, gibt es derzeit ein Bußgeld in Höhe von 25 Euro. Das ist Jäger zu wenig. Er nennt aber keine Summe.

Das gleiche gilt auch für Autofahrer, die aktuell 80 Euro Strafe bezahlen müssen, wenn sie erwischt werden, und zusätzlich einen Punkt in der Verkehrssünderkartei in Flensburg erhalten. Drastisch sollte nach Vorstellung des NRW-Innenministers die Strafe für Autofahrer ausfallen, wenn sie durch eine rücksichtslose Fahrweise auffallen. Jäger plädiert für eine Strafe, die sich nach dem Einkommen richtet und „richtig weh tut“.

Auch die Polizeigewerkschaft GdP hat in einer Stellungnahme bekräftigt, dass es „weniger Verkehrstote nur mit mehr Kontrollen“ gebe. „Die Unfallentwicklung zeigt deutlich, dass wir mit dem Aufstellen von immer mehr stationären Blitzern nicht viel erreichen. Stationäre Blitzer verhindern nicht, dass davor und dahinter gerast wird. Deshalb muss die Verkehrsüberwachung intelligenter werden“, forderte der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende, Michael Mertens.

Mit Besorgnis sieht Jäger die Entwicklung, dass immer mehr Fußgänger mit Smartphone und Kopfhörern am Straßenverkehr teilnehmen. In der jüngeren Vergangenheit ist es laut Jäger zu tragischen Unfällen gekommen, weil diese Menschen häufig ihre Umwelt akustisch nicht wahrnehmen und sogar Straßenbahnen samt Warnton überhören können. „Die Tests mit den Fußbodenampeln in Köln und Bayern haben klar ergeben, dass dies keine Lösung ist“, erklärte Jäger, der auf die Sensibilisierung der Fußgänger für die lauernden Gefahren setzt.

Motorradfahrer stehen per se nicht im Verdacht, Smartphones während der Fahrt zu benutzen. Die Zahl der tödlichen Unfälle von Bikern hat sich um neun auf 75 verringert, wie Jäger berichtete. Dennoch war jeder vierte Biker, den die Polizei im Rahmen ihrer Schwerpunktkontrollen angehalten hatte, zu schnell unterwegs. Auch Motorradfahrer müssen in der neuen Saison mit verstärkten Kontrollen rechnen, sagte Jäger.