Städten drohen Millionen-Verluste

Krise des US-Konzerns bringt Leasinggeschäfte ins Wanken.

Berlin/Wuppertal. Zahlreichen Stadt-Kämmerern in Deutschland stehen seit vergangenem Montag zusätzlich Schweißperlen auf der Stirn. Ob Wuppertal, Böblingen oder Berlin - kommunale Kassenwarte verfolgen beunruhigt die immer neuen Hiobsbotschaften aus den USA: Der taumelnde US-Versicherungsriese AIG verkündete den größten Verlust der Wirtschaftsgeschichte - für 2008 fuhr der einstige Branchenprimus ein Minus von fast 100Milliarden Dollar ein.

Das hat nicht nur die Wall Street erschüttert, sondern auch etliche Stadtkassen in Deutschland. Denn die einst als Wunderwaffe für schnelles Geld gepriesenen, aber gewagten Leasing-Geschäfte der Kommunen mit US-Investoren könnten nun platzen. Im Zuge der Finanzkrise drohen Städten millionenschwere Verluste. Die Bundesregierung hofft derweil, dass die US-Regierung einen als verheerend eingestuften Zusammenbruch von AIG verhindern wird.

Denn AIG ist einer der großen Player im sogenannten Cross-Border-Leasing-Geschäft (CBL). Das war seit Mitte der 1990er Jahre das große Zauberwort. Klamme Städte und Kommunalunternehmen - nicht nur in Deutschland - nutzten die komplizierten Leasinggeschäfte mit US-Investoren quasi als Gelddruckmaschine.

Ob Kläranlagen, Müllheizkraftwerke oder Messehallen: Kommunen verkauften oder vermieteten Infrastrukturanlagen langfristig an US-Investoren, die diese sofort an die Kommune zurückvermieteten. Wuppertal hatte das Kanalnetz 2003 für zirka 400 Millionen US-Dollar an einen US-amerikanischen Investor verkauft und zurückgeleast, sowie bereits 1999 für 380 Millionen US-Dollar das Müllheizkraftwerk. Die Stadt versucht nun verzweifelt, die Geschäfte zu beenden.

Derzeit verhandelt Wuppertal zudem mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), um die Millionensummen nachträglich besser absichern zu lassen. Dies wird die Stadt voraussichtlich 600000 Euro an Risikoprämien im Jahr kosten. Das Bundesfinanzministerium hat sein Okay zu diesem Schritt gegeben.

Die schwer durchschaubaren CBL-Transaktionen waren lange Zeit eine beliebte Variante, um eine Lücke im US-Steuersystem auszunutzen. Die amerikanischen Investoren erzielten in den USA einen erheblichen Steuervorteil, den sie an die Kommune weitergaben - oft zweistellige Millionenbeträge. Warnungen ob der langfristigen Bindung an umfangreiche und dem US-Recht unterworfene Verträge und die daher schwer zu überschaubaren Risiken wurden ignoriert. 2008 hatte ein US-Gericht die Geschäfte jedoch gestoppt, die Steuervorteile wurden aberkannt.

Schätzungen gehen von 150 bis 160 solcher Cross-Border-Leasing-Geschäfte deutscher Kommunen aus. Das Transaktionsvolumen könnte sich auf 28Milliarden Euro belaufen, teils ist von 80 Milliarden die Rede.

Spätestens nach der gigantischen Rettungsaktion des US-Staates und einem Mega-Darlehen an AIG im Herbst 2008 war klar, dass in den Büchern ein erhebliches Risiko schlummert.

AIG fungiert bei vielen CBL-Transaktionen als Risiko-Versicherer. Ratingagenturen, die die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens bewerten, straften den Versicherungsriesen ab, weswegen die Städten nun händeringend Ersatz suchen. Gelingt ihnen dies nicht, drohende horrende Schadensersatzforderungen der US-Investoren.