Landesdelegiertenkonferenz der Grünen Sylvia Löhrmann ist grüne Spitzenkandidatin

Keine Diskussion über Turbo-Abi auf Oberhausener Landesparteitag. Bundesvorsitzender Cem Özdemir begeistert Delegierte mit seiner Rede. Johannes Remmel, Barbara Steffens und Mehrdad Mostofizadeh auf weiteren Listen-Spitenplätzen.

Sylvia Löhrmann, Spitzenkandidatin der NRW Grünen, spricht auf dem Landesparteitag der Grünen in Oberhausen zu den Delegierten.

Foto: Roland Weihrauch

Oberhausen. Wie reagiert die grüne Basis in Nordrhein-Westfalen auf den (halben) Kurswechsel ihrer Schulministerin Sylvia Löhrmann in Sachen Turboabitur? Nachdem Löhrmann zuvor immer auf den Runden Tisch und dessen noch ausstehende Diskussion des Themas verwiesen hatte, plädierte sie in den vergangenen Tagen für eine "flexible Schulzeit". Eine klare Antwort der Grünen auf diese Positionierung gibt es auf dem Landesparteitag in Oberhausen aber nicht. Denn das Thema wird gar nicht diskutiert. Und so kann man allenfalls mittelbar aus dem Abstimmungsergebnis, das die Schulministerin bei ihrer Kandidatur für Platz 1 der Grünen-Landesliste für die Landtagswahl im kommenden Mai erreicht, Rückschlüsse ziehen: Löhrmann wird mit 80,6 Prozent zur Spitzenkandidatin gewählt. 2012 hatte sie noch 98,46 Prozent erreicht.

Löhrmann selbst streift das Turboabitur, das wohl zu einem der Hauptthemen des Landtagswahlkampfs werden dürfte, in ihrer Bewerbungsrede nur. Als sie sagt: "Wir werden die individuelle Lernzeit für jedes Kind mehrheitsfähig machen." Wie das geht, führt sie nicht näher aus, zitiert dafür aber den lange vor der Debatte verstorbenen Philosophen Arthur Schopenhauer: "Jedes Ding erscheint zuerst lächerlich, dann wird es bekämpft, schließlich ist es selbstverständlich."

Stark ist Löhrmann in ihrer Rede, als es weniger um ihr Schulressort geht, sondern um Attacken nach außen. Gegen den Düsseldorfer Koalitionspartner SPD. Der in Gestalt seines Verkehrsministers Michael Groschek mit seiner Kritik an einer "durchgrünten Gesellschaft" und seinen Attacken auf Bürgerinitiativen so etwas wie ein Sandsack ist, an dem sich bei diesem Grünen-Parteitag auch andere Redner abarbeiten. Löhrmann dazu: "Wer Großprojekte verwirklichen will, der braucht dafür so viel Konsens wie möglich. Und deshalb, verehrte Sozialdemokraten, ist es geradezu zwingend, Umweltverbände, Gewerkschaften und Industrie auf Augenhöhe zu beteiligen." Basta-Politik sei in Wahrheit Verhinderungspolitik. Wer das nach dem Metrorapid-Desaster von Ex-Ministerpräsident Wolfgang Clement nicht gelernt habe, dem sei nicht zu helfen. "Lieber Mike Groschek", spricht sie den freilich nicht anwesenden Kabinettskollegen an: "Du solltest es besser machen, das ist nicht durchgrünt, das ist Demokratie."

Die Opposition von CDU und FDP streift sie nur kurz, sagt, dass Armin Laschet und Christian Lindner "um den Preis als lautester Brüllaffe" wetteiferten. Den gemeinsamen Gegner vor Augen -und das ist in Wahlkampfzeiten auch die SPD - fleht Löhrmann geradezu um Rückenstärkung der Parteifreunde bei ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin: "Ich mache nicht mein Ding, ich mache unser Ding. Darum kann ich auch nur so stark sein, wie ihr mich macht." Das reicht dann für die besagten 80,6 Prozent. Ein Votum, mit dem sich Löhrmann mit einem "Das freut mein Herz" bedankt.


Die Vorgruppe war besser - würde man nach einem Musikkonzert sagen. Vorgruppe ist in diesem Fall Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, der in seiner Rede zwar auch für Löhrmann wirbt. Der betont, welch dicke Bretter sie doch bei ihrer Politik zur Umsetzung der Inklusion bohre und sich bei dieser Frage nicht vom Acker mache. Und dass die Grünen "mit Sylvia an der Spitze einen klaren Kompass" hätten. Vor allem aber spricht Özdemir seinen Parteifreunden bei einem Thema aus der Seele, das die gesamte Gesellschaft derzeit drückt wie kein anderes: Flüchtlinge und deren Integration. Mit Blick auf religiöse Befindlichkeiten betont er: "Kein heiliges Buch steht über dem Grundgesetz."

Und er hebt die Rolle der Grünen hervor: "Ob es der Rassismus von Rechtsaußen ist, wo wir die ersten sind, die sich vor die Menschen stellen, wenn die Rassisten hetzen. Aber auch, wenn es um Menschenverachtung von Salafisten, von Islamisten geht: Wir werden uns entschlossen wehren, weil es um dieselben Werte geht." So wie man sich früher heftig mit Bischöfen gezofft habe, wenn diese schwulenfeindliche Dinge gesagt hätten, dürfe es doch nicht schwerfallen, "dass wir den gleichen Maßstab bei dem einen oder anderen Vertreter eines muslimischen Dachverbands anwenden."

Und dann kommt Özdemir noch auf die Heimat zu sprechen - ein für Grüne nicht so gebräuchliches Wort. Er stellte sich die Frage, warum sich so viele Parteifreunde vor Ort engagieren und gibt selbst die Antwort: "Weil dies unsere Heimat ist." Auch als linksliberaler und progressiver Kraft falle den Grünen doch kein Zacken aus der Krone, "wenn wir den Heimatbegriff nicht besetzen lassen von Leuten, die für diese Heimat nichts getan haben und zerstören wollen." Und er fügt hinzu: "Gerade weil wir diesen Flecken Erde mitten in Europa so lieben, dürfen wird ihn nicht den völkischen Hetzern, den Radikalen überlassen." Da klaue er gern dem Handwerksverband dessen Motto: Für uns ist nicht entscheidend, wo du herkommst, sondern wo du hinwillst.

Der Oberhausener Parteitag wählt noch heute und morgen seine Kandidaten für die Landesliste. Auf den ersten Plätzen nach Löhrmann wurde bereits, abwechselnd nach Geschlecht, das Führungspersonal gewählt: Umweltminister Johannes Remmel, Gesundheitsministerin Barbara Steffens, Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh.