Überraschung: Krafts kruder Weg zur Macht
Donnerstagm willigt die SPD-Frau ein, Chefin einer Minderheitsregierung zu werden. Grüne sind überrascht.
Düsseldorf. Um 10.30 Uhr wusste Monika Düker noch nicht, dass sie demnächst Chefin einer Regierungspartei sein wird. Die designierte Landeschefin der Grünen - sie will am Samstag auf dem Landesparteitag in Neuss gewählt werden - forderte da noch im Gespräch mit unserer Zeitung die SPD auf, endlich den Sprung in eine Minderheitsregierung zu wagen.
Die aktuellen Landeschefs der Grünen, Daniela Schneckenburger und Arndt Klocke, wussten um 11 Uhr auch nicht mehr: "Frau Kraft muss nun springen." Frau Kraft sprang zwei Stunden später, und das hatte nur bedingt etwas mit den Grünen zu tun.
Kurz nach 12Uhr suchte dann Kraft den Kontakt zu Sylvia Löhrmann, der Grünen-Spitzenkandidatin. "Wir machen es", war die Botschaft.
Auch Löhrmann hatte in den vergangenen Tagen immer wieder von Kraft gefordert, den Sprung zu wagen und sich im Landtag der Wahl zur Ministerpräsidentin zu stellen. "Rüttgers ohne Land", sei der amtierende Ministerpräsident schließlich, sagte Klocke noch am Vormittag.
Kraft hatte den Sprung freilich gescheut, ist sie doch nach der Landesverfassung zumindest indirekt von der Linkspartei abhängig. Denn die darf nicht für Rüttgers stimmen, damit sie Ministerpräsidentin wird.
"Dass wir Rüttgers wählen, ist so wahrscheinlich, wie Schnee im August", sagte am Donnerstag ein führender Vertreter der Linkspartei unserer Zeitung.
Die Kehrtwende kam Donnerstag völlig überraschend. Am Abend zuvor waren führende Sozialdemokraten zur Sitzung Donnerstagmorgen eingeladen worden. Zunächst ging es nur um die Frage, wie man die amtierende Rüttgers-Regierung mit Anträgen zur Abschaffung der Studiengebühren quälen könnte.
"Doch dann ging es plötzlich ans Eingemachte", sagte eine Teilnehmerin. Kraft präsentierte auf einmal die Lösung einer Minderheitsregierung.
"Da ist vielen ein Stein vom Herzen gefallen", so eine führende Genossin. Schließlich sei der Druck auch von der Basis immer größer geworden, den CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers noch vor der Sommerpause abzulösen.
Nach Informationen unserer Zeitung war auch die Stimmung im Landesvorstand gekippt: "Wir müssen Farbe bekennen", so ein Genosse vom Niederrhein.
FDP-Landesparteichef Andreas Pinkwart musste für Kraft als Begründung herhalten. "Er hat Schwarz-Gelb aufgekündigt", sagte Kraft. Tatsächlich hatte der FDP-Mann einen Schlussstrich unter die politische Ehe mit der CDU gezogen. Das war freilich nicht überraschend.
Pinkwart reagierte hart und scharf auf den Schritt Krafts: "Sie lässt sich von Gabriel und den Grünen in die Ypsilanti-Falle treiben", sagte er. Die hessische SPD-Frau war bei dem Versuch gescheitert, sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen.
"Hannelore Kraft hat die ausgestreckte Hand der demokratischen Parteien ausgeschlagen, um der Linkspartei nachzulaufen", sagte Andreas Krautscheid, Generalsekretär der NRW-CDU. Krafts Argumente seien "unwahr", sagte Rüttgers. Die angekündigte Minderheitsregierung sei die denkbar unstabilste Lösung, sagte der CDU-Landesvorsitzende.