Verfassungsschutz: Gewalt zwischen Rechten und Linken ufert aus
Ein neues Phänomen in der jungen Neonazi-Szene sind laut Verfassungsschutzbericht die sogenannten Autonomen Nationalisten.
Düsseldorf. Die Konfrontation zwischen Rechts- undLinksextremen nimmt zu - und sie wird gewalttätiger. Das berichteteNordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) am Montag bei derVorlage des Verfassungsschutzberichts 2008 in Düsseldorf. Demnach stiegdie Zahl politisch motivierter Delikte im Vergleich zu 2007 um 368 (8,6Prozent) auf fast 4700 Fälle.
Darunter sind 376 Gewalttaten, 28 mehrals im Vorjahr. Ein großer Teil der Gewalttätigkeiten spielt sich beiDemonstrationen beider Lager ab.
Der Innenminister warnte die Bürger vor rechtsextremistischen Parteienwie „Pro NRW“. Sie versuchten, mit undemokratischen,ausländerfeindlichen Ideologien aber „in bürgerlichem Gewand“ in dieKommunalparlamente und 2010 in den Landtag einzuziehen.
„Pro NRW“ habebereits in 15 Städten in NRW Untergliederungen gegründet. Besondersauffällig wurde in den vergangenen Monaten „pro Köln“ mit ihrerAnti-Islam-Kampagne gegen den Bau einer Moschee.
„Auch die NPD tarnt sich als Biedermann und netter Nachbar“, warnteWolf. Bei den Kommunalwahlen 2004 habe sie in fast allen Kommunen, indenen sie zur Wahl angetreten war, mindestens ein Mandat erzielt.„Jetzt sieht es ganz danach aus, dass sie in dreimal mehr Bezirkenantreten wird.“
Aktuell verfüge die Partei über rund 30 Kreisverbändein NRW und stelle knapp 800 der bundesweit 7000 Mitglieder. Deutlichmehr Zulauf habe die NPD in Sachsen und Bayern.
„Die NPD ist zweifellos eine verfassungsfeindliche Partei“, bekräftigteWolf. Auf der anderen Seite nähre auch die Partei „Die Linke“erhebliche Zweifel, ob ihre Ziele mit dem Grundgesetz vereinbar seien.Sie hofiere den Kommunismus, beschönige die DDR- Diktatur und grenzesich auch nicht zum Regime in Kuba ab.
„Die Linke ist insgesamt keinedemokratische Partei“, sagte Wolf. Deswegen werde sie weiterbeobachtet. Dennoch müsse festgestellt werden: „Nicht jedes Mitgliedder Linken ist ein Extremist.“
Ein neues Phänomen in der jungen Neonazi-Szene sind lautVerfassungsschutzbericht die sogenannten Autonomen Nationalisten. Siekopierten nicht nur die spontanen Aktionsformen der linken Autonomen,sondern träten auch optisch ähnlich, mit schwarzen Kapuzenpullovern,auf.
„Sie sind äußerlich nicht als Neonazis zu erkennen“, sagte Wolf.Die zumeist jungen Männer zwischen 16 und 23 Jahren fielen zunehmenddurch Gewalt auf. „Gerade junge Menschen werden mit Aktionsformengelockt, die Krawalle als Event versprechen“, erläuterte der Minister.
Krawall-Tourismus aus beiden Lagern erwarten die Verfassungsschützerzum Nato-Gipfel in der kommenden Woche. Allein aus NRW könne mit einervierstelligen Zahl an links- und rechtsextremistischenGlobalisierungsgegnern gerechnet werden, die sich auf den Weg machten,berichtete NRW-Verfassungsschutzchef Hartwig Möller.
Im Zahlenvergleich registrierten die Ermittler im vergangenen Jahr mit3349 rechtsextremistischen Straftaten (plus 11 Prozent) viermal mehrDelikte als aus der linksextremen Szene. Bei den Linken stieg die Zahlder Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent auf 772 - vorallem wegen der Krawalle gegen die Rechtsextremen.
Von „Links“ würdenüberwiegend Sachbeschädigungen - vor allem Farbschmierereien - undVerstöße gegen das Versammlungsgesetz begangen. Letztere machen rund 80Prozent ihrer Straftaten aus.
Bei den Rechten sind rund 80 Prozent ihrer Straftaten Propagandadeliktewie Hakenkreuz-Schmierereien und Volksverhetzungen. Neben denzunehmenden Auseinandersetzungen mit der linken Szene fielen sieweiterhin durch Übergriffe auf Minderheiten wie Obdachlose undHomosexuelle auf, berichtete Möller.
Keine neuen Erkenntnisse vermeldeten die Verfassungsschützer überislamistischen Terrorismus. „Die Gefahr islamistischer Terroranschlägein Deutschland ist unverändert hoch“, sagte Wolf. Es gebe aber bislangkeine konkreten Anschlagspläne oder Hinweise auf eventuelle Täter,Anschlagszeit oder Tatumstände.
„Es gibt keine absolute Hochburg des Islamismus in Deutschland oder inNRW“, betonte Möller. Bonn sei dies jedenfalls nicht, auch wenn beiErmittlungen in der Szene immer wieder mal Querverbindungen zuKontaktpersonen in die Bundesstadt auffielen. „Die König-Fahd- Akademiespielt sicherheitspolitisch jedenfalls keine Rolle mehr.“