Sicherheit Videoüberwachung: Mehr Kameras für die Polizei?

Im Innenausschuss des NRW-Landtags äußern sich Experten über das Pro und Kontra einer erweiterten Videobeobachtung.

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Düsseldorf. Die CDU im nordrhein-westfälischen Landtag möchte die Hürden für die polizeiliche Videobeobachtung senken. Und beruft sich dabei auf Volkes Wille: Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in Köln und in anderen Städten in der Silvesternacht habe sich eine große Mehrheit der Bevölkerung für eine Ausweitung der Videoüberwachung ausgesprochen, heißt es in einem Antrag. Zur Vorbereitung eines möglichen erweiterten Gesetzes hörte sich der Innenausschuss des Landtags Dienstag an, wie Experten darüber denken.

Bei dem Vorhaben geht es nicht um eine flächendeckende Videoüberwachung, sondern um eine Erleichterung der jetzt schon möglichen Videobeobachtung (siehe Info-Kasten). Es geht also um die Fälle, in denen die Polizei in der Nähe des Geschehens am Bildschirm die Szenerie beobachtet, um dann gegebenenfalls eingreifen zu können.

Weil solche Maßnahmen bisher nur in der Düsseldorfer und der Mönchengladbacher Altstadt stattfinden und in Coesfeld, Aachen und Bielefeld zwischenzeitlich wieder eingestellt wurden, sieht die CDU die Voraussetzungen für eine Anwendung des Polizeigesetzes als zu eng gefasst. Und bekam dabei am Dienstag Rückendeckung aus dem Lager der Praktiker, den im Ausschuss befragten Vertretern von drei Polizeigewerkschaften.

Arnold Plickert von der Gewerkschaft der Polizei sieht durchaus weitere Brennpunkte insbesondere in Großstädten, speziell in WochenendNächten, wo eine Ausdehnung der Videobeobachtung die Kriminalität senken könnte. Es müsse aber sichergestellt sein, dass die Bilder in eine nahegelegene Polizeidienststelle übertragen werden, „damit wir schnellstmöglich Interventionskräfte dorthin entsenden können.“ Auch könnten die Kameras helfen, Straftäter zu überführen.

Erich Rettinghaus von der Deutschen Polizeigewerkschaft betont, Mönchengladbach und Düsseldorf seien nicht die einzigen Brennpunkte, in denen ein Kameraeinsatz angebracht sei. Er fordert mehr Flexibilität bei der Einführung solcher Maßnahmen. Das habe im Übrigen abschreckende Wirkung. Wie wichtig Videoaufnahmen auch beim Überführen von Verdächtigen sein können, zeige sich doch immer wieder, wenn man etwa bei einem ungeklärten Fall auf von Privaten aufgenommene Videos zurückgreifen kann. „Da reibt sich doch jeder Sachbearbeiter die Hände.“ Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter glaubt, dass Videobeobachtung etwa bei Großveranstaltungen oder Volksfesten helfen könne, Schwerpunkte bei Tumulten zeitig zu erkennen.

Bei den Rechtsexperten ist die von der CDU geforderte Ausweitung der Videobeobachtung umstritten. Rechtsprofessor Markus Thiel von der Heine-Uni Düsseldorf plädiert für eine weitere Fassung des bisher „außerordentlich restriktiven“ Paragrafen. Die Videobeobachtung, so sein Plädoyer, solle nicht nur an Kriminalitätsbrennpunkten erlaubt sein, sondern bereits dann, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass an einem Ort Straftaten begangen werden.

Das sieht Florian Albrecht, Dozent an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Brühl, ganz anderes. Er hält schon den Anlass der Diskussion, wonach das Sicherheitsgefühl der Menschen betroffen sei, für falsch: „Die Polizei ist dafür da, Straftaten zu verfolgen und zu verhindern und nicht dafür, sich um unsere Gefühlswelt zu kümmern.“ Auch prophezeit er, dass eine Ausweitung der Videobeobachtung nicht zu einer Personaleinsparung bei der Polizei führen werde, weil ausreichend Personal vorhanden sein müsse — für eine Kontrolle des Geschehens am Bildschirm und für die Beamten, die dann ja auch da sein müssten, um eingreifen zu können.

Noch deutlicher wird Thomas Feltes, Kriminologieprofessor an der Ruhr-Uni Bochum. Er bezweifelt, dass mehr Videokameras einen abschreckenden Effekt hätten. Den könne es nur bei rational kalkulierenden Tätern geben — etwa, wenn Kameras Pkw-Diebstähle verhindern sollen. Bei Gewaltdelikten aber funktioniere das nicht, weil diese in aller Regel aus einer bestimmten Gruppendynamik heraus begangen würden.

Und was das Sicherheitsgefühl als Anlass für eine Ausdehnung angehe, so plädiert Feltes dafür, diesem besser durch polizeiliche Ansprechpartner auf der Straße zu entsprechen. Im Übrigen spricht er von einem „Verbrechensfurcht-Paradox“: Die Menschen fürchten sich immer mehr, obwohl die Kriminalität seit Jahren rückläufig ist.“ Auch Feltes warnt vor hohen Personalkosten, weil die Maßnahme nur helfe, wenn die Polizei innerhalb von Minuten eingreifen kann.

Einen anderen Kritik-Aspekt führt Rechtsprofessor Mark Zöller von der Universität Trier an. Er warnt vor Verdrängungseffekten: „Kriminalität verschwindet nicht einfach. Wenn ein Drogenabhängiger seinen nächsten Schuss finanzieren muss, dann geht er woanders hin - außerhalb des Bereichs der Kameras.“

Mit solch’ Argumenten gerüstet werden die Politiker demnächst in die Landtagsdebatte gehen, wenn es um die Verabschiedung oder Nicht-Verabschiedung eines neuen Gesetzes geht.