Viereinhalb Monate Chaos?
Richter halten Zeitspanne zwischen Urnengang und Amtsantritt von Bürgermeistern und Räten für zu lang.
Münster. Der Saal1 des Verfassungsgerichtshofs in Münster war voll besetzt: Neben den vielen Journalisten waren auch zahlreiche Jura-Studenten gekommen. Sie wollten Mittwochvormittag etwas lernen über das Verhältnis von Demokratie und Staat, von Parteien, Macht und Recht. Und sie wurden nicht enttäuscht. Sie erlebten sieben neugierige Verfassungsrichter, selbstbewusste Kläger sowie Vertreter von Landesregierung und Landtag, die zunehmend alt aussahen.
Verhandelt wurde die Klage von SPD und Grünen gegen die Vorverlegung der NRW-Kommunalwahl auf den 7. Juni. Die Legislaturperiode der 2004 gewählten Stadträte, Kreistage, Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte endet aber erst am 21. Oktober - für vier Monate und 13 Tage gäbe es also frisch gewählte Volksvertreter ohne Macht und alte womöglich ohne Mehrheit.
Mit seinen Fragen lenkte Verfassungsgerichtspräsident Michael Bertrams schnell auf den Kern des Problems: Ist diese lange Spanne mit der Verfassung zu vereinbaren? Nein, sagte der Gutachter der Kläger, der Düsseldorfer Rechtsgelehrte Martin Morlok, da der Wählerwille nicht schnell umgesetzt werde und in der Übergangszeit der alte Rat oder die vielleicht abgewählten Stadtchefs noch unumkehrbare Beschlüsse fassen könnten.
Ja, sagten die Gutachter der Gegenseite, Dirk Ehlers und Peter Michael Huber, und führten als Begründung vor allem zweierlei an: Kommunalwahlen könnten nicht mit den Parlamentswahlen von Land und Bund gleichgestellt werden, daher hätten dort auch diese Fristen nicht zu gelten. Und zudem solle die Kommunalwahl durch die Zusammenlegung mit der Europawahl gestärkt werden.
Bertrams, von schon häufig nachgewiesener Robustheit im Umgang mit den Mächtigen im Lande, fuhr insbesondere Ehlers recht rüde in die Parade ("Sie sind ein bisschen neben der Sache") und machte deutlich, dass für ihn bei Wahlverschiebungen die einzige Frist die von drei Monaten sei, die in der NRW-Verfassung für die Landtagswahl vorgeschrieben sei.
Sein Richterkollege Joachim Wieland wies darauf hin, dass im aktuellen Kommunalwahlgesetz gar eine Wahl am 1. April möglich sei. Das bedeute aber eine Übergangsfrist von bis zu sieben Monaten. "Was halten Sie denn für vertretbar?", fragte er Ehlers und Huber, ohne eine konkrete Antwort zu erhalten.
Die Fraktionschefinnen Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Löhrmann (Grüne) verließen den Gerichtssaal schließlich zufrieden und sehen dem Urteil am 18. Februar sicher gelassen entgegen. Eines Kommentars enthielten sie sich, beide hatten aber zuvor in der Anhörung deutlich gemacht, dass der Wahltermin Mitte 2007 von den Generalsekretären von CDU und FDP ausgeheckt wurde - aus rein taktischen Erwägungen.
Karl Peter Brendel (FDP), Staatssekretär im NRW-Innenministerium, sieht sich zwar noch nicht auf der Verliererseite ("Urteil abwarten"), räumte aber ein, dass es schon Überlegungen für einen Ersatztermin gebe: "Davon können Sie ausgehen." Der 30. August ist intern im Gespräch. Doch eine separate Wahl würde 42 Millionen Euro kosten. Will man das vermeiden, müssten Kommunal- und Bundestagswahl am 27. September zusammen stattfinden.