WZ-Aktion zum Straßenverkehr: Eine Stadt baut die Schilder ab
Im niedersächsischen Bohmte soll Rücksicht den Verkehr regeln: Gleiches Recht für Fußgänger, Autofahrer und Radler. Auch andere Städte kämpfen gegen den Schilderwald.
<strong>Düsseldorf/Bohmte. Bisher war es eine normale deutsche Klein-stadt: Die Kirche mitten im Dorf, eine große Einkaufsstraße, eine Umgehungsstraße und viel Verkehr. Jetzt verändert sich das Leben der Bürger von Bohmte bei Osnabrück radikal: An einer Zugangsstraße und der Hauptverkehrsader entfernen sie alle Verkehrsschilder und bauen die Ampeln ab. Seit Anfang des Jahres laufen die Arbeiten. "Der komplette Umbau mit der Neupflasterung kosten schon eine Million Euro. Wenn wir es bezahlen könnten, würden wir alle Straßen neu gestalten", sagt Michael Fischer, Erster Beigeordneter der 13 000-Einwohner-Stadt.
Die Niedersachsen wissen die deutschen Autofahrer auf ihrer Seite. Laut ADAC gibt es in Deutschland etwa 20 Millionen Verkehrsschilder. "Ein Drittel davon ist überflüssig", sagt ADAC-Sprecher Andreas Hölzel. Städte wie Köln und Düsseldorf wollen ihren Verkehrsfluss beschleunigen und Schilder reduzieren. Doch niemand ist so radikal wie Bohmte.
Es ist die erste deutsche Kommune, die an dem Projekt "Shared Space" (Gemeinsamer Raum) teilnimmt, das von der Europäischen Union gefördert wird. Das Konzept stammt vom niederländischen Verkehrsplaner Hans Mondermann und lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Alle Verkehrsteilnehmer sind gleichberechtigt.
Die einzigen Regeln sind rechts fahren und an Kreuzungen rechts vor links beachten. "Aber selbst das muss nicht immer gelten. Wenn eine ältere Frau mit dem Fahrrad von links kommt, lässt man sie natürlich fahren", sagt Mondermann. Aus seiner Sicht wiegten Schilder und Ampeln die Menschen in falscher Sicherheit, meint Mondermann.
Sein System ist anarchisch, sein Credo heißt Rücksicht. "Wenn alle gleichberechtigt sind, halten die Verkehrsteilnehmer Augenkontakt. So sprechen sie sich ab, wer fährt", erläutert er. Doch der Wechsel von Regeln zu Eigenverantwortung machte den Bohmter Bürgern zuerst Sorgen.
Ist Bohmte also ein Beispiel für andere Städte? "Das System ist radikal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es überall funktioniert", sagt ADAC-Sprecher Hölzel. Zudem müssten die Straßen für viel Geld umgebaut werden.