Asien Massive Polizeipräsenz verhindert Proteste in China - Mehr Impfungen geplant

Peking · Angesichts der größten Protestwelle seit Jahrzehnten zeigt Chinas Staatsgewalt ihre Stärke. An den umstrittenen Null-Covid-Maßnahmen wird festgehalten. Aber zumindest sollen mehr Ältere geimpft werden

In der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong versammelten sich am Montagabend Studierende der Chinesischen Universität, um zu protestieren.

Foto: dpa/Kanis Leung

Massive Polizeipräsenz hat in mehreren chinesischen Städten ein Wiederaufflammen der Proteste gegen die harte Null-Covid-Politik verhindert. Trotz des Unmuts in der Bevölkerung über Lockdowns, Zwangsquarantäne und Massentests will die Regierung an den rigorosen Maßnahmen festhalten. Wie der Sprecher der Gesundheitskommission, Mi Feng, am Dienstag in Peking mitteilte, soll jedoch die Impfkampagne vorangetrieben werden – insbesondere in der älteren Gruppe der Bevölkerung.

Aus Angst vor Nebenwirkungen wurden Ältere in dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land bislang seltener geimpft. So bekamen erst 40 Prozent der Menschen über 80 Jahren eine Booster-Spritze, wie die Gesundheitskommission berichtete. Dies könnte nach Einschätzung von Experten bei einer unkontrollierten Corona-Welle zu vielen Opfern führen. Fortschritte wären eine wichtige Voraussetzung für eine Lockerung.

Die Kommission kündigte an, in Pflegeheimen stärker impfen zu lassen. Auch sollten Menschen, die nicht geimpft werden wollten, Gründe vorlegen müssen. Die Kommission stellte allerdings keine Abkehr vom Null-Covid-Kurs in Aussicht. Bereits angekündigte Anpassungen sollten „schnell und gründlich“ umgesetzt werden, um „Unannehmlichkeiten“ zu verringern. Auch sollten die Behörden bestehende Regeln umsetzen und auf die „falsche Praxis“ zusätzlicher Maßnahmen verzichten.

„Chinas Covid-Maßnahmen sind wissenschaftlich basiert, korrekt und wirksam“, sagte auch Außenamtssprecher Zhao Lijian auf Fragen nach der Unzufriedenheit, die am Wochenende zu der seit Jahrzehnten größten Protestwelle geführt hatte. Nach Aufrufen zu neuen Demonstrationen wurde ein Großaufgebot an Sicherheitskräften mobilisiert. In Metropolen wie Peking, Shanghai, Guangzhou und Hangzhou ist die Polizei massiv auf den Straßen, um Proteste sofort im Keim zu ersticken.

Vielfach wurden Passanten angehalten, mussten sich ausweisen und ihre Handys zeigen, die dann auf verdächtige Inhalte oder Programme wie Tunneldienste (VPN) zur Umgehung der Zensur untersucht wurden. In China herrscht eine Nachrichtensperre über die Proteste. Vereinzelte Protestaktionen werden meist nur durch Videos in sozialen Medien bekannt. Die Zensur kam nun allerdings mit dem Löschen nicht hinterher.

Aus Protest gegen die Null-Covid-Maßnahmen wie Ausgangssperren, zwangsweise Isolation, Testpflicht oder ständige Kontrolle über Corona-Apps gingen am Wochenende in mehreren Städten Tausende auf die Straßen. In Peking riefen sie „Hebt den Lockdown auf“ und „Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit“. Es waren die größten Proteste in China seit der Demokratiebewegung, die das Militär 1989 blutig niedergeschlagen hatte.

Der Unmut hat sich auch verstärkt, weil China gerade die größte Corona-Welle seit Beginn der Pandemie vor knapp drei Jahren erlebt. Die Zahlen sind im internationalen Vergleich zwar nicht hoch, doch sind die Auswirkungen durch die strikten Maßnahmen enorm: Ein Fünftel der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft – also Hunderte Millionen Menschen – dürften landesweit von Lockdowns betroffen sein.

„Die Bevölkerung zieht nicht mehr mit“, sagte ein europäischer Gesundheitsexperte in Peking. Das Virus sei mit den leicht ansteckenden Omikron-Varianten im Land aber bereits „fest etabliert“. So ließen sich die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus, die im Moment existierten, nur noch ganz radikal durchsetzen. Die Regierung habe keine Strategie und sich „immer weiter in eine Ecke verrannt“.

Nach einem stetigen Anstieg der Infektionszahlen meldete die Gesundheitskommission erstmals aber wieder einen leichten Rückgang der täglichen Neuinfektionen auf rund 38 400 Fälle. Am Vortag war ein Höchststand von mehr als 40 000 gemeldet worden. In der Hauptstadt stieg die Zahl der Neuinfektionen aber weiter auf 4300. Während Märkte zur Versorgung mit Lebensmitteln geöffnet haben, sind die meisten Restaurants, Schulen, Geschäfte und Büros geschlossen.

Aus Angst vor neuen Protesten sicherte Polizei in Peking die Uferpromenade des Liangma-Flusses in der Nähe des Diplomatenviertels, wo am Sonntagabend Hunderte demonstriert hatten. Auch im Universitätsviertel Haidian waren viele Polizisten zu sehen. In Shanghai wurde Montagabend ein Großaufgebot an Sicherheitskräften um den Volksplatz mobilisiert. Ähnlich sah es an der Wulumuqi-Straße aus, wo Sperren errichtet wurden.

Benannt ist die Straße nach der Hauptstadt der Region Xinjiang, Ürümqi (Chinesisch: Wulumuqi). Dort hatten sich am Wochenende viele Menschen versammelt, um der zehn Toten eines Wohnungsbrandes am Donnerstagabend in Ürümqi zu gedenken. Das Feuer war Auslöser der Proteste in vielen Städten, da viele den Verdacht haben, dass Null-Covid-Maßnahmen die Rettungsarbeiten behinderten.

In der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong versammelten sich am Montagabend an der Chinesischen Universität Dutzende Studenten und hielten ähnlich wie die Demonstranten in anderen Städten am Wochenende unbeschriebene weiße Blätter hoch, um der Opfer zu gedenken. Die weißen Blätter sind zum Symbol des Widerstandes und des Protests gegen die chinesische Zensur geworden.

(dpa)