„Mein Job ist nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig“
Hessens SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel sprach mit uns über Koch, Krisen und Koalitionen.
WZ: Herr Schäfer-Gümbel, Sie sehen müde aus...
Thorsten Schäfer-Gümbel (lacht): Ich bin auch ziemlich müde. Verwundert das? Bei dem Programm, das ich im Moment mache, 18 Stunden täglich...
Schäfer-Gümbel: Dass die Koch-CDU immer wieder versucht, von den eigentlichen Themen abzulenken, verwundert nicht. Aber die Frage nach der Nummer eins ist geklärt. Ich wiederhole es auch gerne immer wieder.
Schäfer-Gümbel: Nein. Schließlich ist die SPD die einzige Partei, die sich neu aufgestellt hat.
Indem Sie Spitzenkandidat geworden sind? Mehr ist nicht passiert.
Schäfer-Gümbel: Der Spitzenkandidat ist aber die zentrale Figur.
Ohne Ypsilanti hätte die Hessen-SPD bessere Wahlchancen. Ihr Spagat zwischen Loyalität zur Ex-Spitzenkandidatin und Eigenständigkeit kostet Sie Glaubwürdigkeit. Ein hoher Preis...
Schäfer-Gümbel: Wir haben Konsequenzen aus den hessischen Verhältnissen gezogen, an denen wir ja nicht ganz unschuldig waren. Andrea Ypsilanti tritt nicht mehr als Spitzenkandidatin an.
Ihre Kritiker gestehen Ihnen zu, sich nicht schlecht zu verkaufen. Sie sagen aber auch: Der TSG hat kein Thema. Schießen Sie deshalb so scharf gegen die Person Koch, weil Ihnen die Inhalte fehlen?
Schäfer-Gümbel: Nein, seit 61 Tagen bin ich dabei, die Themen, die für Hessen wichtig sind, zu benennen. In den ersten zwei Wochen haben alle über meinen Doppelnamen, meine Brille und mein Aussehen geredet. Da gab es viel Verunglimpfung. Danach haben alle versucht, nur über den Wortbruch zu reden, um von unseren Inhalten abzulenken. Wir haben vier zentrale Themen: Bildungsgerechtigkeit, gute Arbeit, Energiewende und, vor allem, die Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Es ist der politische Gegner, der alles dafür tut, dass wir nicht über Themen reden.
Sie selbst wiederholen doch den Lagerwahlkampf vom vergangenen Jahr.
Schäfer-Gümbel: Wir machen keinen Lagerwahlkampf, denn wir haben aus den hessischen Verhältnissen gelernt und gehen mit mehr Demut an die Sache heran. Aber in diesem extrem kurzen Wahlkampf müssen wir deutlich machen, welche Möglichkeiten es gibt. Wer für sich entscheidet, er will eine schwarz-gelbe Regierung unter Roland Koch, der muss sich mit uns nicht mehr beschäftigen. Wer diese Frage für sich verneint, setzt sich mit unseren Themen auseinander. Und dann beginnt es spannend zu werden.
Sie haben eine Koalition unter Roland Koch ausgeschlossen und sich damit erneut vorab festgelegt.
Schäfer-Gümbel: Ja, denn die Person Roland Koch steht für eine Politik, die nicht mehr mehrheitsfähig ist. Zudem stellt sich die Frage nach Koch gar nicht, außer bei Schwarz-Gelb. In allen anderen Konstellationen wird er keine Rolle spielen, weil die Union ihn dann selbst auswechselt.
Das SPD-Wahlprogramm hat sich seit der letzten Wahl kaum verändert. Es gibt ein paar weniger Windräder und ein bisschen mehr Wirtschaftskrise. Reicht das? Müssten Sie den Akzent nicht viel stärker auf den Kampf gegen den Abschwung setzen?
Schäfer-Gümbel: Wir haben zweieinhalb Wochen vor der Union ein durchfinanziertes Konjunkturprogramm vorgelegt. Das hat aber Anfang Dezember noch kaum jemanden interessiert. Jetzt hat Koch nachgezogen, und wir führen eine kontroverse Debatte über die Ausgestaltung des Programms und seiner Finanzierung. Ich sage nur: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache.
Für Ihren Vorschlag, Zwangsanleihen für Reiche einzuführen, haben Sie ja viel Spott und Häme auch von den Genossen aus Berlin einstecken müssen. Am vergangenen Sonntag hat die Bundes-SPD, eine Reichensteuer beschlossen. Späte Genugtuung für Sie?
Schäfer-Gümbel: Ich freue mich natürlich. Die Kollegen in Berlin haben eine sehr gute Entscheidung getroffen.
Was machen Sie nach dem 18. Januar, wenn es mit einer Regierungsübernahme oder -beteiligung nicht klappt?
Schäfer-Gümbel: Das entscheiden wir als Partei nach der Wahl.
Machen Sie nach der Wahl als Retter der hessischen SPD weiter?
Schäfer-Gümbel: Ich kann mir gut vorstellen, nach dem 18. Januar eine Spitzenposition in der Partei zu übernehmen. In welcher Rolle auch immer.
Mit 39 Jahren gehören Sie zur jungen Nachwuchsgeneration in der SPD. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte in dem Alter konkrete Karriereziele. Er rüttelte auch schon am Zaun des Kanzleramts. Haben Sie auch große Ziele?
Schäfer-Gümbel: Ich bin Teamspieler. Das ist der große Unterschied. Ich rüttele nicht an Zäunen. Sie werden mich nicht an irgendeinem Zaun sehen, außer am Gartenzaun, wenn ich mit meinem Sohn Fußball spiele. Mir geht es nicht um persönliche Profilierung. Mir geht es um die Themen. Mir geht es um Politik. Das macht mir Freude, und das gibt mir auch die Kraft, das durchzuhalten, was ich hier gerade mache. Denn dass ich nicht den vergnügungssteuerpflichtigsten Job habe, den man im Augenblick in dieser Republik zu verteilen hat, ist wohl klar. Selbst in der SPD ist dieser Job zurzeit nicht gerade beliebt.