Merkel macht Wahlgeschenke für 28 Milliarden Euro
Kanzlerin Angela Merkel verspricht teure Reformen — insbesondere für Familien. Damit verwirrt sie Parteifreunde.
Berlin. Offiziell lautete die Marschrichtung am Freitag: „Solide Finanzen bleiben eine Kernaufgabe der Politik und ein Markenzeichen der Union.“ So CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe auf Nachfrage. Und Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, „der bisherige Kurs, wachstumsfreundlich zu konsolidieren“, werde beibehalten. Also doch keine milliardenschweren Wahlgeschenke? Angela Merkel scheint das etwas anders zu sehen als die beiden Herren. Die in Europa so eiserne Kanzlerin will offenbar im Wahlkampf die Spendierhosen anziehen. Das gefährdet den Konsolidierungskurs der Regierung, sagen selbst Parteifreunde.
Entweder hat Merkel nicht bedacht, welche Welle ihre Äußerungen bei eine telefonischen Fragestunde am Dienstag mit CDU-Mitgliedern schlagen könnte. Oder es ist ihr tatsächlich ernst mit dem Milliardensegen für die Bürger. „Wir wollen den Grundfreibetrag für Kinder genauso hoch ansetzen wie für Erwachsene“, soll sie während des Gesprächs gesagt haben. Dies sei gerechtfertigt. Entsprechend werde ihre Regierung „das Kindergeld anpassen“. Das würde laut Experten mehr als sechs Milliarden Euro kosten.
Damit noch nicht genug: Im Falle ihrer Wiederwahl werde sie auch die schon lange in der Union debattierte Mütterrente einführen, soll sie versprochen haben. Ein weiteres, kostspieliges Unterfangen. Denn dann wird Müttern die Erziehungszeit von vor 1992 geborenen Kindern in der Rentenversicherung besser angerechnet. Das wäre voraussichtlich ein Rentenpunkt pro Kind mehr — macht gegenwärtig monatlich 28 Euro Rente zusätzlich im Westen, 25 Euro im Osten. Insgesamt wären bis zu sieben Milliarden Euro für eine solche Reform fällig.
Zusammen mit einer ebenso geplanten Verbesserung der Berufsunfähigkeitsrente sowie höheren Investitionen für die Infrastruktur von jährlich einer Milliarde Euro belaufen sich die Gesamtkosten von Merkels Katalog auf 28,5 Milliarden Euro. So jedenfalls eine Berechnung des „Handelsblatt“. Nebenbei sprach sich die Kanzlerin noch für die Mietpreisbremse aus, was aber ein Vorschlag von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist.
Doch wie sollen Merkels Vorhaben bezahlt werden? Das Finanzministerium äußerte sich am Freitag ungewöhnlich zurückhaltend. Man habe in den vergangenen Jahren „das Ausgabenniveau flachgehalten“, so ein Sprecher. Die CDU-Chefin selbst betonte offenbar, die neuen Leistungen nicht mit neuen Schulden finanzieren zu wollen. Viel konkreter wurde sie nicht. Steuererhöhungen hatte sie kürzlich abgelehnt.
Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin meinte deshalb, die Kanzlerin mache Versprechungen, „ohne auch nur ansatzweise zu erklären, woher das Geld kommen soll“. Auch aus den eigenen Reihen kam Kritik: „Wir können nicht gleichzeitig gegen grüne Pläne für Steuererhöhungen wettern und selbst neue Ausgaben planen“, sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU).