Flüchtlinge im Mittelmeer Nach Flugverbot und Hafensperrung: Auf Malta „wird Rettung sabotiert“
Präses Manfred Rekowski bezeichnet bei einem Besuch auf Malta die Behinderung der zivilen Seenotrettung als Skandal.
Düsseldorf. Drei Schiffe für die zivile Seenotrettung dürfen derzeit von Malta nicht mehr auslaufen: die „Lifeline“, der „Seefuchs“ und die „Sea-Watch 3“. Dazu ist dem Aufklärungsflugzeug „Moonbird“ der Rettungsorganisation Sea-Watch verboten, maltesisches Hoheitsgebiet zu verlassen. Für Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (Ekir), ist das ein Skandal. Der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hält sich seit Montag auf Malta auf, um sich ein Bild von der Lage zu machen. „Hier wird Rettung sabotiert, weil Kräfte in Europa das Problem verdrängen wollen. Aber wir dürfen nicht wegsehen, sondern müssen hinsehen und handeln.“
Rekowski verteidigt die größtenteils ehrenamtlichen Seenotretter gegen den Vorwurf, sie würden das Geschäft der Schlepper und die Fluchtbewegungen über das Mittelmehr fördern. „Im Juni, seit keine Seenotschiffe mehr auslaufen dürfen, hat es auf dem Mittelmeer die höchste Todesrate seit Beginn der Aufzeichnungen gegeben.“ Im vergangenen Monat ertranken nach offiziellen Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 629 Flüchtlinge, fast so viele wie im gesamten Zeitraum Januar bis Mai (663). Weitere mindestens 233 Tote gab es in diesem Monat. Das sind schon 1525 Ertrunkene. Dass viele Leichen unentdeckt bleiben, ist wahrscheinlich.
Auch ein Beleg dafür, dass die staatliche Seenotrettung nicht in ausreichendem Maß funktioniert. Das Versagen Europas und Hilferufe der Reeder waren zum Höhepunkt der Fluchtbewegungen über das Mittelmeer Auslöser für die privaten Rettungsinitiativen gewesen. „Das hat Respekt und Unterstützung verdient“, ist Rekowski überzeugt. Zumal nach seinem Eindruck „hier keine Laienspielschar abenteuerlustiger Menschen unterwegs ist, die sagt: Wir retten mal eben die Welt“. Die Arbeit von Sea-Watch sei beeindruckend professionell organisiert. Die Ehrenamtlichen, die zu meist dreiwöchigen Einsätzen auf das Schiff kämen, brächten ihre jeweiligen professionellen Kenntnisse mit ein. Unter ihnen gebe es „eine große Entschlossenheit, nicht zu resignieren und klein beizugeben“. Die EKD unterstützt Sea-Watch jährlich mit 100 000 Euro.
Die privaten Rettungsorganisationen operieren nicht in Eigenverantwortung auf dem Mittelmeer. „Jedes gesichtete Boot wird der Seenotrettungsleitstelle in Rom gemeldet und von dort wird dann die weitere Hilfe koordiniert“, sagt Rekowski. Bevor die Rettungsschiffe festgesetzt wurden, waren sie immer häufiger aufgefordert worden, die Flüchtlinge selbst an Land zu bringen und nicht an Schiffe der Küstenwache zu übergeben. Einen Rücktransport nach Libyen lehnen Kirchen und Hilfsorganisationen ab, weil es sich um ein lebensgefährliches Konfliktgebiet handele, im dem Folter und Menschenrechtsverletzungen drohten.
Unterstützung für die zivile Seenotrettung kommt auch von katholischer Seite. Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hatte schon Ende Juni erklärt: „Wir erinnern daran, dass die Pflicht zur Rettung von Menschen in Seenot im Völkerrecht verankert ist. Entweder der Staat nimmt sich dieser Aufgabe selbst an oder er muss nichtstaatliche Organisationen handeln lassen und sie unterstützen. Wer beide Wege blockiert, nimmt Leiden und Tod von Flüchtlingen sehenden Auges in Kauf.“
Ein Helfer der „Sea-Watch 3“ auf Malta hat das nach Rekowskis Schilderung Anfang der Woche so zusammengefasst: „In Deutschland wird unterlassene Hilfeleistung bestraft. Hier wird gerade Hilfeleistung bestraft.“
Heute trifft Rekowski noch auf den Erzbischof von Malta, um über mögliche gemeinsame Schritte zu beraten. Doch schon vor Ende der Reise steht für ihn fest: „Wir müssen die Flüchtlingsfrage wieder rational diskutieren.“ Die EU brauche nicht Auslagerung und Abschottung, sondern eine geordnete Flüchtlingspolitik, die humanitären und verantwortbaren Standards genüge.