Immerhin hatte Rogosin selbst eingeräumt, dass in diesem Hochsee-Krimi gezielt Falschinformationen gestreut worden seien, um die Rettung der 15 russischen Seeleute an Bord nicht zu gefährden. Fakt ist, dass der illegale Handel auch mit Waffen aus Sowjetzeiten weltweit blüht. Hinzu kommt, dass Russland als zweitgrößter Waffenexporteur nach den USA auch Staaten mit Rüstungsgütern beliefert, die für den Westen auf der schwarzen Liste stehen.
Russische Medien wiederholten am Freitag die These, dass unter der schweren Holzfracht der "Arctic Sea" auch illegal Marschflugkörper transportiert worden sein könnten. Es könnte sich um X-55-Raketen handeln, die mit Atomsprengköpfen bestückbar seien. Die Moskauer Publizistin Julia Latynina vermutet, dass die gefassten acht mutmaßlichen Geiselnehmer in Wahrheit Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad sein könnten, die den Waffenschmuggel an den Iran aufdecken wollten.
Viele fragen sich bis heute, warum die angeblichen Piraten nach der Kaperung des Schiffs am 24.Juli an Bord blieben, bis die russische Schwarzmeerflotte mit Kriegsschiffen die Seeleute befreite. Russische Militärexperten betonten angesichts der nebulösen Geschichte erneut, dass der ganze Aufwand nur für Holz und 15 Seeleute unverhältnismäßig sei und eher nach einem Komplott rieche.
Bisher habe sich Russland nie sonderlich für seine Seeleute in Not interessiert, merkte Alexander Chramtschichin vom Moskauer Zentrum für politische und militärische Analyse an. In Moskau gab es zuletzt widersprüchliche Angaben zur Nationalität der angeblichen Ostsee-Piraten, nachdem etwa Estland russische Angaben zu den Verdächtigen nicht bestätigen konnte.
Als ein Indiz für die Mossad-Theorie sah die Publizistin Latynina, dass der israelische Präsident Schimon Peres Anfang dieser Woche bei Kremlchef Dmitri Medwedew in der Schwarzmeerstadt Sotschi auftauchte, kurz nachdem die Befreiung der "Arctic Sea" gemeldet worden war.
Peres hatte eigentlich keinen Grund für seinen Besuch, bat aber die Russen, den Iran nicht mit Raketenabwehrsystemen zu versorgen. Russland baut im Iran nicht nur das erste Atomkraftwerk, sondern soll nach dem Wunsch Teherans auch Flugabwehrsysteme vom Typ S-300 liefern - mit denen die Atomanlagen geschützt werden sollen.
Die ukrainische Internetzeitung "Obosrewatel" berichtete in dieser Woche ohne Angaben von Quellen, dass die X-55-Raketen auf der "Arctic Sea" über den Umweg Algerien an den Iran geliefert werden sollten. Die Marschflugkörper kommen auch auf Jagdbombern vom Typ Suchoi SU-24 zum Einsatz - die das Rückgrat der iranischen Luftwaffe bilden. Medien wiesen außerdem darauf hin, dass etwa die Ukraine 2005 den Schmuggel von X-55-Raketen an den Iran und China einräumen musste.