Neue Kurdenkrise erschüttert die Türkei
Das Verbot der Kurdenpartei DTP könnte das politische System am Bosporus schwer beschädigen.
Düsseldorf. Der türkische Premier Tayyip Erdogan hatte alles versucht, ein Verbot der kurdischen "Partei für eine demokratische Gesellschaft" (DTP) zu verhindern. Selbst die US-Regierung und die EU, in Sachen "Terrorismus" gewiss nicht als versöhnlerisch bekannt, hatten ungewöhnlich offen ihre Bedenken geäußert. Doch es half nicht: Anfang des Monats verbot das türkische Verfassungsgericht die DTP, die mit 21 Abgeordneten die viertgrößte Fraktion im Parlament stellt und nun schon die dritte Kurden-Partei nach 1990 ist, die verboten wurde. Es kam, wie befürchtet werden musste: In den Kurdengebieten brannten wieder die Barrikaden. Und Erdogans "kurdische Initiative", die hoffnungsvoll begonnen hatte und den Jahrhundertkonflikt mit den Kurden mit demokratischen Mitteln lösen sollte, lag in Scherben.
Das war wohl auch beabsichtigt. Denn es ging den Richtern in Ankara nicht nur um die nun verbotene Partei. Die DTP wurde das Bauernopfer im nun schon Jahre währenden Machtkampf zwischen den alten kemalistischen Eliten, die in Militär und Justizapparat ihre Stütze haben, und den neuen islamisch orientierten Eliten um Erdogan und dessen Regierungspartei AKP. Die gemäßigt islamische AKP hatte die Wahlen 2002 und 2007 klar gewonnen und steht seither im ständigen Konflikt mit den Machtansprüchen des Militärs, das sich als "Hüter des Kemalismus" und der staatlichen Einheit versteht.
Der seit 1984 anhaltende Krieg der Armee gegen die PKK garantierte der Armee ihre starke Stellung als Staat im Staat. Ein Krieg übrigens, der bis heute mehr als 50000 Opfer gefordert hat. Erdogan war der erste türkische Premier, der sich ernsthaft um eine Lösung des Kurdenproblems bemüht hatte. Schon seine ersten Schritte zur Aussöhnung, so die Erlaubnis zur Rückkehr von PKK-Kämpfern, die ihre Waffen niederlegten, lösten wütende Proteste der Oppostion aus. Es kam zu pogromartigen Übergriffen auf Kurden und Parteibüros der DTP. Hatten die Kurden die ersten Erfolge noch gefeiert, kam es nach dem Verbot in der Osttürkei zu Straßenschlachten, die schon die ersten Toten forderten.
Aus der "kurdischen Initiative" Erdogans, die das Problem lösen sollte, ist die Türkei in eine neue Kurdenkrise gestürzt, die am Ende die ohnehin fragile Demokratie am Bosporus ins Wanken bringen könnte.