„Neue Sanktionen wirken kaum“
Expertin Sakaki: Nach Kims Atomtest kommt es auf China an.
Frau Sakaki, Nordkoreas Diktator Kim Jong Un nimmt mit dem neuerlichen Atomtest schwere diplomatische Folgen in Kauf. Sogar China hat den Ton verschärft. Warum geht er diese Risiken ein?
Alexandra Sakaki (Foto): Dahinter stecken zum einen innenpolitische Motive. Um seine Macht zu konsolidieren, präsentiert sich der neue, junge Diktator seinem Volk unbeugsam. Zum anderen strebt er außenpolitisch nach dem Schutz der atomaren Abschreckung. Die Beispiele Irak oder auch Libyen scheinen das Regime in seiner Ansicht bestärkt zu haben, dass sich nur eine Atommacht vor einem militärischen Eingreifen sicher sein kann.
Wie gefährlich ist Nordkorea gegenwärtig wirklich?
Sakaki: Das ist schwer einzuschätzen. Die Nordkoreaner haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, eine Atombombe zu bauen und ihre Raketentechnik stetig zu verbessern. Das bedeutet aber noch nicht, dass sie auch einen Atomsprengkopf auf einer Rakete installieren können. Das ist technisch sehr kompliziert. Die Gefahr ist aber zweifellos weiter gewachsen.
Wie bewerten Sie die Reaktion der Vereinten Nationen?
Sakaki: Sie haben sehr schnell und in der Wortwahl deutlich reagiert. Aber langsam gehen der internationalen Gemeinschaft die Optionen aus. Das Potenzial an Sanktionen ist von den Staaten des Westens nahezu ausgeschöpft worden, weitere Verschärfungen dürften kaum noch Wirkung entfalten. Entscheidend ist nun, wie China reagiert. Geschätzte 80 Prozent des nordkoreanischen Außenhandels entfallen auf den großen Nachbarn.
Nur China könnte Kim zum Einlenken bewegen?
Sakaki: Es kann zumindest nicht ohne China funktionieren. Peking hat klare Kritik an Pjöngjang gerichtet. Aber verbaler Druck wird nicht reichen. Ob China allerdings Härte in dem Maß zeigen wird, in dem es sich der Westen wünscht, ist fraglich. Wahrscheinlicher erscheint mir, dass Peking hinter den Kulissen den Druck auf Pjöngjang erhöhen könnte. Beispielsweise hat China in der Vergangenheit bereits mehrfach Öllieferungen an Nordkorea ausgesetzt, offenbar mit dem Ziel, das Regime in seine Schranken zu weisen.
Wie groß ist die Angst vor einem Krieg in der Region? Kim wird ja oft als „irrer Diktator“ dargestellt.
Sakaki: Ja, die Wahrnehmung, dass er vollkommen unberechenbar ist, ist in Japan und Südkorea tatsächlich sehr verbreitet. Doch in der Realität geht Nordkorea taktisch rational vor. Das Regime wechselt zwischen Phasen der Aggression und der Annäherung und versucht so, seine internationale Verhandlungsposition zu stärken und Zugeständnisse anderer Länder zu erwirken. Vor einer Eskalation, die tatsächlich zu einem Krieg führen könnte, schreckt es dabei allerdings zurück.
Dr. Alexandra Sakaki arbeitet in der Forschungsgruppe Asien bei der renommierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.