Politischer Aschermittwoch: Merkel sachlich, Steinbrück rauflustig

Bundeskanzlerin Angela hält sich mit verbalen Angriffen gewohnt zurück. SPD-Kandidat übt nur eine kleine Dosis Selbstkritik.

Demmin/Schwerte. Der politische Aschermittwoch in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern ist für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) immer mit besonderen Herausforderungen verbunden: Im vergangenen Jahr kippte ihr ein Kellner zahlreiche Gläser Bier in den Rücken.

Doch diesmal ging alles gut. Mit dem Bier. Ein anderer Fallstrick war die Amtsaufgabe der Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Darauf reagierte die CDU-Vorsitzende — wenn auch nur indirekt. „Es hat noch keine Bundesregierung gegeben, die so viel in Bildung und Forschung investiert hat“, rief Merkel ihren Zuhörern zu. Das war noch einmal Anerkennung für ihre langjährige Ministerin und Freundin.

Ansonsten hielt die Kanzlerin ihre Rede gewohnt nüchtern, daran ändert auch ein Aschermittwoch nichts — einige inzwischen hinlänglich bekannten Thesen zum Wert der EU, einen neuerlichen Hieb gegen die FDP in Sachen Mindestlohn. In ihre Forderung nach branchen- und regionalspezifischen Lohnuntergrenzen bezog sie zur Freude vieler vom Tourismus lebender Mecklenburg-Vorpommer auch das Hotelpersonal ein.

Aber so witzig und ironisch sie im kleinen Kreis sein kann, so wenig liegen ihr öffentliche Kalauer oder wortreiche Attacken gegen die Opposition. SPD und Grünen hält sie nur vor, sie hätten in ihrer siebenjährigen Regierungszeit auch selbst einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz durchsetzen können, wenn sie denn gewollt hätten. Nach einer knappen halben Stunde ist sie fertig. Turbogang.

Ausführlicher gibt sich hingegen der SPD-Kanzlerkandidat: Nach der Ouvertüre morgens in Bayern lief Peer Steinbrück Mittwochabend beim Heimspiel im westfälischen Schwerte endgültig zur Aschermittwoch-Form auf: Vor 750 begeisterten Anhängern im ausverkauften Traditionslokal „Freischütz“ gab er den rauflustigen Angreifer. Bei reichlich Thier-Pils, Frikadellen und Mettschnittchen war er der Star des Abends — auch weil der Liebling der Partei, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, sich mit einem Infekt abgemeldet hatte.

„Ich begrüße den nächsten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland — Peer Steinbrück“, lautete die Ansage von Norbert Römer, SPD-Regionalchef Westliches Westfalen und Fraktionschef im Landtag. „In den Filmstudios von Babelsberg drehen sie gerade den Film: Angela allein zu Haus“, rief Steinbrück in den Saal — die Kanzlerin habe einen „einzigartigen personellen Aderlass“ nach zwölf verlorenen Landtagswahlen hintereinander hinnehmen müssen. Deshalb sei ihre Zeit abgelaufen. „Ich spiele auf Sieg, nicht auf Platz“, so Steinbrück.

Selbstkritik kam auch vor, schließlich wird Steinbrück außerhalb des SPD-Kosmos auch „Pannen-Peer“ genannt. Die Dosis Devotion war aber gering: Ein „mediterranes Temperament zum Formulieren“ räumte er immerhin ein. Aber er habe eben „Ecken und Kanten“, es werde keinen Kuschel-Wahlkampf geben. Zwei gelungene Johannes- Rau-Pointen und der Appell: „Wir werden gewinnen — wenn wir mobilisieren“: In Schwerte hatten sie am Mittwochabend die Wahl schon gewonnen.

Im Freistaat Bayern sieht man das naturgemäß ganz anders: CSU-Chef Horst Seehofer attackierte Steinbrück gleich zu Beginn seiner überraschend kurzen Rede scharf. Der habe als Bundesfinanzminister vor allem Schulden hinterlassen. Er verschwieg dabei aber, dass die meisten Schulden als Bundesfinanzminister bislang CDU-Mann Wolfgang Schäuble gemacht hat. Mit Blick auf Peer Steinbrücks umstrittene Redehonorare fügte Seehofer hinzu: „Sein Lebensmotto ist offensichtlich: jedem das Seine und mir das Meiste.“