Niederlande stehen vor Regierungswechsel

Den Haag (dpa). Die Niederlande stehen nach vorgezogenenParlamentswahlen vor einem Regierungswechsel. Beste Aussichten,den Ministerpräsidenten zu stellen, hat in allen Umfragendie rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD).Auch ein Überraschungssieg der Sozialdemokraten war möglich.

Alssicher galt, dass der regierende Christdemokratische Appell (CDA) vonMinisterpräsident Jan Peter Balkenende eine wohl herbe Niederlageeinfährt.Zur Stimmabgabe waren mehr als zwölf Millionen Niederländer aufgerufen. Verlässlichen Ergebnissen sollte Stunden nach Schließung der Wahllokale um 21.00 Uhr vorliegen. Mit dem 43-jährigen VVD-Chef Mark Rutte könnte erstmals seit fasteinem Jahrhundert wieder ein liberaler Politiker Regierungschef desNordsee-Königreichs werden. Rutte warb noch am Mittwoch für einhartes Sparprogramm - auch für Sozialleistungen.Kurz vor Beginn der Wahl kam es zu einem Streit um ein Internet- Video. Darin wird Rutte als homosexuelles Muttersöhnchen dargestellt. PvdA-Spitzenkandidat Job Cohen wies Vorwürfe zurück, Wahlkämpfer seiner Partei würden hinter dem von einer Satire-Website gestalteten Video stecken. Mit großer Aufmerksamkeit wurde das Abschneiden derPartei für Freiheit (PVV) des rechtspopulistischen IslamkritikersGeert Wilders beobachtet. Die PVV, die unter anderen einenEinwanderungsstopp für Muslime durchsetzen will, könnte laut Umfragenihre Mandate auf 18 verdoppeln. Wähler umwarb die PVV auch mit demVersprechen, eine bereits beschlossene Erhöhung des Rentenhalters auf67 Jahre rückgängig zu machen.Die Freiheitspartei könnte viertstärkste politische Kraft nach Rechtsliberalen, Sozial- und Christdemokraten werden. Wilders könnte dann in einer Rechts-Koalition mit VVD und CDA an der Regierung beteiligt werden. Für eine Koalition allein linker Parteien unter Führung der sozialdemokratischen PvdA war keine absolute Mehrheit im Parlament „Tweede Kamer“ absehbar.Nach einem Wahlkampf, bei dem es angesichts der Turbulenzen in derEuro-Zone vor allem um die Konsolidierung des Haushaltes und dieAnkurbelung der Wirtschaft ging, kam Ruttes VVD in Umfragen auf 33bis 36 Mandate - ein erheblicher Zuwachs gegenüber den 22 Mandaten,die sie 2006 erreichte.Dem Christdemokratischen Appell (CDA) des amtierenden Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende stand nach Einschätzung der Meinungsforscher ein Absturz von 41 auf 24 bis 26 Parlamentssitze bevor. Die Sozialdemokraten sollten demnach auf 29 bis 31 Mandate (bislang 33).Angesichts des breiten Parteienspektrums in den Niederlanden, wo eskeine Prozent-Hürden gibt, kann traditionell kein Wahlsieger alleinund meist auch nicht mit nur einem Partner regieren. Das Parlament,in das erneut zehn oder mehr Parteien einziehen dürften, hat 150Sitze. Für die meist langwierige Regierungsbildung sind mindestens 76Mandate erforderlich. Rutte hat erklärt, er wolle angesichts dernotwendigen Haushaltskonsolidierung in Rekordzeit bis zum 1. Julieine Koalition zusammenbringen. Der Urnengang war nötig geworden, nachdem im Februar die schwarz-rote Regierungskoalition am Streit um den Militäreinsatz derNiederlande in Afghanistan zerbrochen war. Das Thema spielteallerdings im Wahlkampf keine Rolle mehr. Der Abzug der rund 2000niederländischen Soldaten soll im August beginnen.