Persönlichkeitsrecht Wann darf die Polizei Personenfotos twittern?

MÜNSTER · Im Fall einer Demonstration hat das Oberverwaltungsgericht Münster bereits Grenzen gesetzt – in einem nun anstehenden Urteil geht es um eine Eskalation vor einem Fußballspiel in Duisburg.

Anhänger des 1. FC Magdeburg feiern vor einem Spiel im eigenen Stadion mit Bengalos. 

Foto: dpa/Jens Wolf

Darf die Polizei Fotos von Personen schießen und diese in sozialen Netzwerken veröffentlichen? Über einen solchen Fall wird das Oberverwaltungsgericht Münster Ende des Monats entscheiden. Es geht um polizeiliche Aufnahmen im Rahmen befürchteter Ausschreitungen bei einem Fußballspiel in Duisburg. Doch zunächst das Grundsätzliche:

Auch die Polizei nutzt soziale Netzwerke wie Twitter. Da berichtet sie etwa über Einsätze, sucht Zeugen oder beschreibt Tatverdächtige, denen sie auf der Spur ist. Aber darf die Polizei einfach Fotos von Privatpersonen ins Netz stellen?

Wann die Polizei Personenfotos veröffentlichen darf

Ja, wenn es etwa um Tatverdächtige oder Vermisste geht und solange diese noch nicht gefasst oder wieder aufgetaucht sind. In § 24 des Kunsturhebergesetz heißt es: „Für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit dürfen von den Behörden Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden.“ Entsprechend dürfen auch die Medien solche Bilder dann weiterverbreiten.

Aber das mit den Fahndungsfotos ist ein Sonderfall. Wenn es etwa um eine Demonstration geht, darf die Polizei nicht einfach Fotos der Veranstaltung im Internet veröffentlichen.  So hat das Oberverwaltungsgericht Münster schon 2019 geurteilt (Az. 15 A 4753/18). In dem Fall hatte die Essener Polizei auf ihrem Facebook-Profil und auf Twitteri Fotos von Demonstranten veröffentlicht. Zwei Demonstranten hatten dagegen geklagt und vor dem höchsten NRW-Verwaltungsgericht Recht bekommen. 

Das Anfertigen der Fotos, um diese im Rahmen der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit auf Twitter und Facebook zu publizieren, habe in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eingegriffen, urteilten die Richter. Polizeiliche Foto- und Videoaufnahmen von Versammlungen seien grundsätzlich geeignet, einschüchternd, abschreckend oder in sonstiger Weise verhaltenslenkend auf die Teilnehmer einer Versammlung zu wirken. Die Polizei könne über ein Versammlungsgeschehen auch ohne solche Bilder, auf denen Personen zu erkennen seien, in ihren sozialen Kanälen berichten. Wenn sie ihren Text durch eine Bebilderung ergänzen wolle, könne sie etwa ihre eigenen Einsatzkräfte oder Einsatzfahrzeuge zeigen. Oder auf Archivfotomaterial zurückgreifen, auf dem der Versammlungsort zu sehen sei.

Zwar gebe es Ausnahmen, in denen auch bei Versammlungen Bild- und Tonaufnahmen erlaubt seien, betonten die Richter. Nämlich, dann, wenn dies zum Zwecke der Gefahrenabwehr geschehe. So regelt es übrigens auch das neue NRW-Versammlungsgesetz. Da heißt es in § 16: „Die zuständige Behörde darf Bild- und Tonaufnahmen sowie entsprechende Aufzeichnungen von einer Person bei oder im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel anfertigen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von der Person bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, und die Maßnahmen erforderlich sind, um diese Gefahr abzuwehren. Die Aufnahmen und Aufzeichnungen dürfen auch angefertigt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.“

Der Fall des Fußballspiels Duisburg gegen Magdeburg

In Fällen, in denen das Versammlungsgrundrecht, also die Demonstrationsfreiheit, betroffen ist, werden der Polizei zu Recht enge Grenzen gesetzt. Aber wie ist es bei anderen Einsätzen? Wie dem Fall, den das Oberverwaltungsgericht Münster Ende November entscheiden wird. Es ging um ein Spiel der dritten Fußballbundesliga im Februar 2017. MSV Duisburg gegen den 1. FC Magdeburg. Wegen der „Fans“ war es eine von der Polizei als Risikospiel eingestufte Begegnung.

Am Stadion in Duisburg wurde daher am Gästeeingang eine Kontroll- und Sicherheitsschleuse eigerichtet. Rund 100 Magdeburger Fans hatten sich weiße Regencapes übergezogen. Begründung: Damit sollte im Stadion zusammen mit blauen Flaggen eine Choreographie in den Vereinsfarben entstehen. Der Einsatzleiter vermutete, dass unter den Capes verbotene Pyrotechnik ins Stadion geschmuggelt werden sollte. Die Polizei forderte die Fans auf, die Capes abzulegen. Diese weigerten sich jedoch, blieben stehen. Nachströmende Fans sorgten für bedenklichen Druck. Einige Fans drohten damit, den Eingang zu stürmen.

Um den nachrückenden Fans zu verdeutlichen, was vor der Zugangssperre passierte, twitterte die Polizei: „#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“ Mit verbreitet wurde ein Foto, auf dem mit Capes bekleidete Fans zu sehen waren. Darunter auch eine Frau, die gegen die Veröffentlichung klagte. Trotz der späteren Löschung des Fotos sah sie ihre Grundrechte verletzt.

Ihre Argumentation: Weder sie noch die anderen Fußballfans hätten die Absicht gehabt, die Durchsuchung zu verhindern. Es habe keine sachliche Grundlage dafür gegeben, den Fans diese Absicht zu unterstellen. Der Tweet stelle eine subjektive Äußerung mit suggestiver Wirkung dar, die das in der Öffentlichkeit bestehende Bild der gewalttätigen Fans befeuere. Eine solche Darstellung sei mit der wahrheitsgemäßen Berichterstattungspflicht der Polizei nicht vereinbar. Ferner habe es keine Notwendigkeit gegeben, neben dem Text das Foto in den Tweet einzubinden. Sie habe keine Einwilligung zur Veröffentlichung des Bildes erteilt. Nach dem Absetzen des Tweets sei sie von zahlreichen Personen angesprochen und gefragt worden, warum sie denn eine Durchsuchung habe verhindern wollen und ob sie etwas zu verbergen gehabt habe.

Doch das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Az. 18 K 16606/17) entschied zugunsten der Polizei, das heißt zugunsten des beklagten Landes NRW. Die Erstellung des Tweets sei lediglich zu dem Zweck erfolgt, den Grund der polizeilichen Maßnahmen schnell zu kommunizieren, um mit Blick auf die wartenden Fans im hinteren Bereich eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern - also eine berechtigte Maßnahme der Gefahrenabwehr. Auch sei die Frau gar nicht, wie sie behaupte, auf dem Foto erkennbar.  Mit Sicherheit lasse sich nicht einmal bei dem vergrößerten Bildausschnitt sagen, ob es sich bei der auf dem Bild markierten Person um einen Mann oder eine Frau handelt. Ob das Oberverwaltungsgericht Münster das ebenso sieht, wird sich Ende des Monats zeigen. Verhandelt wird am 28. November.