Polens Regierung steckt tief in der Krise
Enthüllungen eines Magazins erschüttern das Vertrauen. Ruf nach Neuwahlen wird laut.
Warschau. Der polnische Regierungschef Donald Tusk und seine Minister dürften dem kommenden Montag mit mulmigen Gefühlen entgegenblicken. Denn dann erscheint die nächste Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Wprost“ — und Chefredakteur Sylwester Latkowski hat angekündigt, es werde neue Enthüllungen in der Abhöraffäre um führende Politiker geben.
„Wprost“ hatte vergangenen Montag mit dem Abdruck der illegalen Aufzeichnung eines Treffens zwischen Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und Nationalbankchef Marek Belka die Affäre ausgelöst. Sienkiewicz gilt als Minister auf Abruf.
Belka, als Chef der Nationalbank eigentlich zur Unabhängigkeit verpflichtet, forderte in dem Gespräch eine Entlassung des damaligen Finanzministers Jacek Rostowski. Das sei Vorbedingung für eine Unterstützung bei der Verringerung von Staatsschulden. Rostowski schied später tatsächlich aus dem Kabinett aus — auf eigenen Wunsch, wie er betonte. Die Opposition wirft Sienkiewicz nun vor, unangemessen beeinflusst worden zu sein. Staatspräsident Bronislaw Komorowski mahnte zur Besonnenheit, ließ aber anklingen, dass er vorzeitige Wahlen für eine denkbare Lösung halte, sollte die Regierung Tusk die schwerste Krise seit Bestehen nicht in den Griff bekommen.
Selbst Tusk sagt mittlerweile, wenn die Vertrauenskrise „zu tief“ sei, müsse neu gewählt werden. Regulär sind im Herbst 2015 Parlamentswahlen. Doch nun muss Tusk sich fragen, welche Indiskretionen von der Regierungsbank noch bekanntwerden, während sein Krisenmanagement immer stärker in die Kritik gerät.
So setzt ihn das Vorgehen der Ermittler gegen die Journalisten von „Wprost“ weiter unter Druck. Bis in den späten Mittwochabend hatten Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes ABW versucht, die Warschauer Redaktionsräume zu durchsuchen und die Herausgabe der Materialien zu erzwingen. Die Journalisten verwiesen auf den Schutz ihrer Quellen und ihres Informanten. Einen Teil der tumultartigen Szenen in der „Wprost“-Redaktion waren am Donnerstag auf der Webseite des Magazins zu sehen. „Sie schlagen, sie schlagen uns!“, riefen Mitarbeiter.
Generalstaatsanwalt Andrzej Seremet verteidigte die Durchsuchung. Rechtlich sei alles in Ordnung gewesen. In einer Stellungnahme des Justizministeriums von Freitag ist dagegen von übereiltem Vorgehen und „mangelnder Professionalität“ die Rede. Die Staatsanwaltschaft sei zu weit gegangen, rügt da Justizminister Marek Biernacki.