Herr Neugebauer, droht der CDU jetzt ein ähnlicher Niedergang wie schon der SPD?
Politwissenschaftler über CDU „Armin Laschet hat beste Chancen“
Berlin · Politwissenschaftler Gero Neugebauer spricht im Interview über die Probleme der CDU und die Chancen für mögliche Nachfolger von AKK.
Nach Einschätzung des Berliner Politikwissenschaftlers Gero Neugebauer muss sich die CDU politisch modernisieren, um ihre tiefe Krise zu überwinden.
Gero Neugebauer: Die Situation ist vergleichbar. Aber die Gründe sind verschieden.
Inwiefern?
Neugebauer: Der Niedergang der SPD wurde in erster Linie durch das fehlende Angebot einer langfristig programmatischen Orientierung sowie durch einen Mangel an personellen Alternativen zu Frau Merkel ausgelöst. Die CDU erlebt zurzeit eine Krise ihrer Führung, weil der Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer die Kraft zur Integration verschiedener Strömungen in der Partei fehlt. Auch fehlt ihr die Möglichkeit, die CDU mit Zucker und Peitsche zu disziplinieren, weil sie nicht gleichzeitig Kanzlerin ist.
Kramp-Karrenbauer will nicht Kanzlerkandidatin sein und auch nicht mehr lange CDU-Chefin. Aber sie will den „Übergang moderieren“. Wie interpretieren Sie das?
Neugebauer: Das zeigt, dass sie noch einen gewissen Führungsanspruch aufrechterhalten will. Sie nimmt sich zurück bei ihren persönlichen Ambitionen, sieht aber ihre Funktion als Vorsitzende, aus der sie die Verantwortung ableitet, kein Chaos zu hinterlassen.
Lassen sich die Personalentscheidungen bis Dezember in der Schwebe halten, wie es AKK plant?
Neugebauer: Das Debakel in Thüringen hat doch große Zweifel an ihren Fähigkeiten geweckt, die verfahrene Lage zu moderieren. Warum sollte es ihr nun gelingen, einen komplizierten innerparteilichen Prozess fast neun Monate lang zu steuern, also bis zum Parteitag im Dezember? Das wird sie kaum schaffen.
Wer könnte die CDU in Zukunft am ehesten zusammenhalten?
Neugebauer: Das Problem der CDU ist ihre fehlende politische Modernisierung. Kulturell hat das Ursula von der Leyen gemacht. Bei der politischen Modernisierung muss man abwarten, wer als Person diese repräsentiert. Institutionell betrachtet hat Armin Laschet derzeit wohl die besten Chancen, Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat zu werden, weil er sich als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident zugleich auf den stärksten Landesverband der CDU stützen kann.
Muss die CDU den Merkel-Kurs verlassen, um wieder beim Wähler zu punkten?
Neugebauer: Nein. Und zwar deshalb, weil der Merkel-Kurs Wähler der Mitte bindet, auch sozialdemokratisch Gesinnte. Und weil am rechten Rand zu wenig Ressourcen für die CDU vorhanden sind.
Das hat sich aber mit der AfD geändert.
Neugebauer: Moment. Die AfD mobilisiert vor allem im Nichtwähler-Lager. Die CDU sollte deshalb nicht nach rechts rücken. Sie muss den Wählern ein Angebot machen, mit dem sie konservative Orientierung berücksichtigt. Aber nicht Orientierungen im Sinne von Rassismus, Antisemitismus oder völkischem Gedankengut.
Wie soll die CDU künftig mit der Linken umgehen?
Neugebauer: Gelassener. Mit der Auffassung, die Linke sei die Fortsetzung der SED mit anderem Gesicht, hat die CDU sich bestimmter Spielräume beraubt. Auf Länderebene jedenfalls gibt es keine so grundlegenden Konflikte, als dass die CDU nicht die Linke tolerieren könnte und umgekehrt die Linke nicht die CDU. Der Beschluss der Union, die AfD genauso zu behandeln wie die Linke, ist schlicht weltfremd.
Ist die CDU noch Volkspartei?
Neugebauer: Gegenwärtig ist sie das nur in dem Sinne, dass da viele Völkchen sind. Wenn sie es nicht schafft, ein Programm zu unterbreiten, dass sie für viele akzeptabel macht, kann sie keine Volkspartei mehr sein.