Pro Monat 500 Euro Entschädigung für Straftäter

Straftäter erstreiten sich Schmerzensgeld.

Karlsruhe. Schmerzensgeld für verurteilte Sexual- und Gewaltverbrecher? Zuhörer im Gerichtssaal reagierten empört. Und doch steht es den vier Straftätern zu, denen das Karlsruher Landgericht am Dienstag 240 000 Euro Entschädigung wegen zu langer Haftzeit zusprach. Denn auch ihnen ist Unrecht geschehen.

„Freiheit ist das zweitwichtigste Gut nach dem Leben“, sagt der Strafrechtler Thomas Ullenbruch, ein Experte für Sicherungsverwahrung. Genau dieses hohe Gut sei den Männern nach Verbüßung ihrer eigentlichen Haftstrafe genommen worden, als ihre Sicherungsverwahrung rückwirkend verlängert wurde.

Das Landgericht sprach den vier Klägern zwischen 49 000 und 73 000 Euro Schadensersatz pro Person zu, 500 Euro pro Tag. Die Männer waren bis zu zwölf Jahre zu lange im Gefängnis gewesen: Kurz vor ihrer Entlassung wurde ihre Sicherungsverwahrung auf unbefristete Zeit verlängert. Erst 2009 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieses Vorgehen als rechtswidrig. Wenig später folgte ihm das Bundesverfassungsgericht.

Auch der Anwalt des Landes Baden-Württemberg, das die Männer auf Schadensersatz verklagt hatten, äußert ein gewisses Verständnis für die Rechtsauffassung des Landgerichts. „Wenn der EGMR etwas als rechtswidrig beurteilt, dann kommt es auf die Schuldfrage nicht mehr an“, sagt Thomas R. Hannemann.

Von Schuld wurde das Land nämlich freigesprochen, weil die nachträgliche Sicherungsverwahrung damals geltendes Recht war. Für das Schmerzensgeld wird Baden-Württemberg trotzdem in die Pflicht genommen. Das Land werde aber in Berufung gehen.

Auch in NRW rechnet man jetzt mit Klagen. So kündigte eine Aachener Anwältin am Dienstag an, vor den Bundesgerichtshof zu ziehen. Zwei Landgerichte in NRW hätten Schadensersatzklagen der ehemaligen Sicherungsverwahrten auf mindestens 50 000 Euro pro Mandant abgewiesen, sagte sie. Ihre Mandanten seien wegen Gewaltdelikten beziehungsweise Vergewaltigung zu Haftstrafen und Sicherungsverwahrung verurteilt worden.