Rassismus bei der SPD? Die Parteibuch-Affäre von Wehringhausen
In Hagen sind die Sozialdemokraten mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert. Es geht um Ablehnung und alten Streit.
Hagen. Die Probleme bei der SPD mögen vielschichtig sein, bei den Mitgliederzahlen waren sie zuletzt nichtig. Vor allem in NRW, wo die Zahlen angestiegen sind, seit die Partei so fleißig in Urabstimmungen den politischen Gesamtkurs abstimmen lässt. Und die Jusos um jene geworben haben, von denen sie sich ein „Nein“ erhofften, als es um die nun munter regierende Koalition in Berlin ging. In Zahlen: Ende Mai lag die SPD-Mitgliederzahl in NRW bei rund 113 000, zwei Drittel männlich, ein Drittel weiblich. Zum Vergleich: Im Dezember 2016 waren es noch 108 000.
Die Parteibücher also werden munter nachgedruckt, in Hagen allerdings laufen die Dinge anders. Dort hat die Hagener SPD gerade 55 neue Anträge auf Parteimitgliedschaft abgelehnt. Seither hat sich der dortige SPD-Unterbezirk-Geschäftsführer Claus Homm mit allerhand Vorwürfen auseinanderzusetzen. Der für ihn schmerzhafte lautet: Rassismus. „Das kränkt mich, weil ich da nun wirklich nicht verdächtig bin“, findet Homm.
Die Geschichte geht so: Nach und nach flatterten bei Geschäftsführer Homm neue Mitgliedsanträge im SPD-Unterbezirk Hagen ein. Vorwiegend von SPD-Anhängern mit Migrationshintergrund. „Türken, Rumänen, Bulgaren und andere“, sagt Homm, will das aber nicht als Wertung verstanden wissen. Stutzig wird er, als er bemerkt, dass die potenziellen Mitglieder in „fünf nebeneinander liegenden Wohnblocks“ leben, fast alle in den SPD-Ortsverein Wehringhausen streben — und viele der Anträge offenbar von ein und derselben Person unterschrieben worden sind. Homm lässt die Anträge gerade juristisch prüfen, bevor er damit detailliert an die Öffentlichkeit gehen will.
Drei der neuen Mitglieder aus den Wehringhausener Wohnblocks sind nun Mitglied in der SPD, weil der Ortsverein die Vier-Wochen-Frist zur Ablehnung verpasst habe, erzählt Homm. Für die anderen gilt: abgelehnt. Ein schriftlicher Einspruch beim Unterbezirk Hagen sei freilich möglich, einige hätten den bereits eingelegt. „Wir müssen uns vor Unterwanderung schützen“, sagt Homm. Unterwanderung — ein Begriff, den NRW-SPD-Sprecher Christian Obrok eher selten zu hören bekommt. „Das hatten wir früher mal bei Mitgliedern von Burschenschaften oder Mitgliedern des Verbandes der Verfolgten des Naziregimes“, sagt Obrok. Der Hagener Fall ist bei der NRW-SPD in Düsseldorf längst bekannt, aber er ist nicht ganz leicht zu handhaben. Weil er einen Hintergrund hat. Und eine andere Seite.
Die geht auf Mark Krippner zurück, der einst Hagener SPD-Fraktionschef war, 2016 aber abgewählt wurde und heute einfaches Ratsmitglied und Vorsitzender des größten Ortsvereins Hagens in Hohenliumburg ist. Krippners Nachfolger als Fraktionschef ist wiederum Klaus Rudel, seines Zeichens auch Vorsitzender in eben jenem Ortsverein Wehringhausen, von dem Homm vermutet, er solle für neue Mehrheitsverhältnisse unterwandert werden. Alles eine Frage alter Rechnungen, oder doch verhinderte Teilhabe an politischem Alltag?
Vierter Protagonist in der Runde ist Ali Kerim Yavuz, Gas- und Wasserinstallateur, SPD-Mitglied und aktiv im Stadtteil Wehringhausen. Yavuz, heißt es, soll dort mehrere Immobilien besitzen. Dazu gehören wohl auch jene Wohnblocks, in denen die neuen Mitglieder wohnen, die Yavuz in Vielzahl angeworben haben soll. Gegenüber dem Ruhrgebiets-Internetauftritt „Informer“ klagte Yavuz, oft würden Menschen mit ausländisch klingenden Namen abgewiesen von den Behörden in Hagen. „Die können doch nicht die Leute behandeln wie Dreck, nur, weil sie nicht biodeutsch sind. Und auch im Stadtrat sitzt fast kein Migrant.“ Krippner bezeichnet Yavuz dort als „Vorzeige Ausländer“ und zeichnet das Bild so: Die SPD verhindert die politische Teilhabe jener Bürger, die in dem Ort tatsächlich wohnen und mitbestimmen wollen. „Die Altgedienten wollen alle nur ihre Posten behalten. Sie wollen keine inhaltliche Erneuerung“, wird Krippner dort zitiert.
Der Konflikt geht in die nächste Runde. Es geht um mögliche Urkundenfälschung, sagt Homm, überlegt werde auch, parteirechtlich gegen Krippner und Yavuz vorzugehen. Abgeschlossen ist sicher nichts. Und das Ende offen.