Fall Sami A.: Wie die Lage aktuell ist und wie es weitergehen kann
Das Zwangsgeld sagt noch nichts über die Rechtmäßigkeit der Abschiebung. Oder darüber, ob der Gefährder zurückkommt. Fragen und Antworten zum Fall Sami A..
Düsseldorf. Mit jedem Tag, der seit der Abschiebung des mutmaßlichen Islamisten Sami A. nach Tunesien vor fast drei Wochen vergeht, wird der juristische Dschungel des Falls undurchsichtiger. Bedeutet die Tatsache, dass die Ausländerbehörde in Bochum laut Oberverwaltungsgericht ein Zwangsgeld zahlen soll, weil sie A. bislang nicht nach Deutschland zurückgeholt hat, dass er nun doch zurückgeholt wird? Eben nicht. Denn die Entscheidung darüber steht noch aus — und das letzte Wort hat ohnehin Tunesien. Ein Versuch, den Dschungel zu lichten:
Nein. Das zuständige Ministerium für Flüchtlinge und Integration unter Joachim Stamp (FDP) in NRW erklärt dazu auf Anfrage dieser Zeitung: „Wir respektieren die Entscheidung und stehen mit den zuständigen Bundesbehörden im Austausch. Im Falle einer Zwangsgeldfestsetzung werden wir zusammen mit der Stadt Bochum die erforderlichen rechtlichen Schritte einleiten.“ Das bedeutet im Klartext: Auch gegen die Festsetzung könnte wieder Beschwerde eingelegt werden, die tatsächliche Zahlung würde dadurch noch einmal aufgeschoben.
Nicht direkt. Aus Stamps Haus heißt es nur: „Die Rechtsauffassung des Ministeriums ist unverändert.“ Nämlich, dass A. abgeschoben werden durfte, weil der entgegenstehende Beschluss des Verwaltungsgerichts zu spät zugestellt wurde und somit nicht rechtskräftig war. Das OVG hat in dieser Frage noch nicht entschieden. Und laut einer Sprecherin dort gibt der Beschluss über das Zwangsgeld auch keinen Hinweis, wie entschieden werden könnte — allerdings wird dies derselbe Senat tun. Diese Woche ist mit einem Ergebnis aufgrund von Stellungnahmefristen für die Beteiligten nicht mehr zu rechnen.
Darum geht es laut OVG-Sprecherin nicht, sondern vielmehr darum, ob die Abschiebung zum damaligen Zeitpunkt vollzogen werden durfte. Theoretisch denkbar wäre also, dass A. zurückgeholt werden müsste, weil seine Rückführung am 13. Juli nicht rechtmäßig war, nur damit dann entschieden werden könnte, nach aktueller Sachlage gebe es keine Folterbedrohung, also kein Abschiebungshindernis, mehr — und dann könnte er erneut abgeschoben werden. Wie gesagt: sehr theoretisch. Dass derlei nicht geschieht, könnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sicherstellen, wenn es das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht mit den heutigen Erkenntnissen davon überzeugte, dass A. in seiner Heimat in Sicherheit ist.
Nein. Sami A. ist ein tunesischer Staatsbürger auf tunesischem Boden, der laut dortigen Behörden das Land nicht verlassen darf. Ein Vertreter des Bundesinnenministers bekräftigte in dieser Woche bei einer Regierungspressekonferenz: „Das ist die Entscheidung des Staates Tunesien.“
Das ist die vermutlich brisanteste Frage, die sich viele stellen. Denn laut Zeugen soll A. schon im Vorfeld angedroht haben, im Falle seiner Abschiebung werde Deutschland „Blut weinen“. Das NRW-Ministerium verweist auf die Zuständigkeit der Bundesbehörden, wenn es um den Kontakt zu den tunesischen Behörden geht. In Berlin indes hieß es bei der Regierungspressekonferenz auf die Nachfrage, ob man überhaupt den genauen Aufenthaltsort des Gefährders kenne: „Operativ tätig ist nicht das Bundesministerium des Inneren oder das Auswärtige Amt, sondern operativ tätig ist in diesem Zusammenhang das Land Nordrhein-Westfalen.“ Das kann die Öffentlichkeit kaum beruhigen.
Immerhin: Der Pass von A. soll abgelaufen und eingezogen sein. Zudem besteht für den Tunesier „grundsätzlich auch aufgrund der Ausweisungsverfügung eine Wiedereinreisesperre“, so das Integrationsministerium. Selbst wenn A. seinen Pass also zurückbekäme und dann in einen Flieger nach Deutschland stiege, wäre sein Einreiseversuch illegal und er würde festgenommen — wenn er denn aufgegriffen werden sollte — auch, falls er über Land einreisen würde. Darüber hinaus sagt man über eine mögliche Rückkehr nur: „Im Übrigen bleibt das Urteil des OVG abzuwarten.“
Dazu kann man im NRW-Integrationsministerium nichts sagen: „Das ist eine Frage, die die Sicherheitsbehörden beantworten müssten.“ Und dass ja erst, wenn die deutsche Justiz und die tunesischen Behörden ihre Entscheidungen endgültig getroffen haben.