Experte: Abschiebung von Sami A. rechtsstaatswidrig

Asyl-Anwalt Oberhäuser sagt, man habe den Ausgewiesenen nicht aus Flugzeug aussteigen lassen dürfen. Es gibt Kritik an Laschet-Äußerungen.

 Das Gericht will, dass der mutmaßliche Ex-Leibwächter des getöteten Al-Kaida- Chefs Osama bin Laden nach Deutschland zurückgeholt wird.

Das Gericht will, dass der mutmaßliche Ex-Leibwächter des getöteten Al-Kaida- Chefs Osama bin Laden nach Deutschland zurückgeholt wird.

Foto: Rolf Vennenbernd

Berlin/Düsseldorf. Das Vorgehen der deutschen Behörden bei der umstrittenen Abschiebung des islamistischen Gefährders Sami A. wirft immer mehr Fragen auf. Obwohl die Planungen weit fortgeschritten waren, war das zuständige Gericht bis zuletzt nicht über die Abschiebung informiert — und konnte den Abschiebeflug nach Tunesien so nicht mehr verhindern.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am Donnerstagabend (12. Juli) entschieden, dass eine Abschiebung nicht rechtens sei, da Sami A. Folter in Tunesien drohen könne. Allerdings übermittelte es den Beschluss erst am Freitagmorgen, als das Flugzeug schon in der Luft war — weil es nicht mit einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung rechnete. Dabei habe die Bundespolizei die schon am 9. Juli organisiert und dem Land NRW am selben Tag den angefragten Flug bestätigt, hieß es aus dem Bundespolizeipräsidium.

Gegenüber unserer Zeitung bezeichnete der Ulmer Asylanwalt Thomas Oberhäuser das Vorgehen als „rechtsstaatswidrig“, zumal das Verwaltungsgerichts- Urteil nicht zu spät gekommen sei: „Sami A. saß ja noch im Flugzeug. Wenn sie ihn trotzdem in Tunesien aussteigen lassen, ist das rechtsstaatswidrig.“ NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp sagte dazu am Montag, die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts sei erst eingetroffen, als A. Tunesien schon näher war als Deutschland.

Das Gericht will nun, dass der mutmaßliche Ex-Leibwächter des getöteten Al-Kaida- Chefs Osama bin Laden nach Deutschland zurückgeholt wird. Laut Oberhäuser ist das aussichtslos: „Stellen sie sich vor, die Amerikaner hätten einen Deutschen wegen Terrorismusverdachts nach Deutschland abgeschoben und würden danach sagen: ,Das war falsch, der hat doch Aufenthaltsrecht.’ Die Behörden hier würden ihn nicht zurück in die USA lassen. So wird sich auch Tunesien für Sami A. verantwortlich fühlen.

Das NRW-Flüchtlingsministerium kündigte Beschwerde gegen den Rückholbeschluss beim Oberverwaltungsgericht Münster an. Minister Stamp sagte, ihm sei keine Zusicherung des Bamf bekannt, das Gericht vor einer Abschiebung zu informieren. Das Oberverwaltungsgericht NRW habe die Ausweisungsverfügung der Bochumer Ausländerbehörde rechtskräftig bestätigt. Und, so Stamp: Der vom Bamf mit der Aufhebung des Abschiebungsverbots angeordnete sofortige Vollzug sei rechtlich auch vor einer Gerichtsentscheidung möglich.

Die Aussage von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, er denke, „im Ergebnis können wir froh sein, dass der Gefährder nicht mehr in Deutschland ist“, kritisierte Asylanwalt Oberhäuser scharf: „Das ist mehr als bedenklich. Das offenbart ein ganz erschreckendes Rechtsstaatsverständnis.

Die Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im NRW-Landtag, Sarah Philipp, stellte die Landesregierung in den Verdacht, „ein deutsches Gericht getäuscht und geltendes Recht missachtet zu haben“. Deshalb beantragen SPD und Grüne „eine Sondersitzung des Rechtsauschusses noch in dieser Woche“. Grünen-Fraktionschefin Monika Düker sagte: „Die Erleichterung, einen Gefährder weniger im Land zu haben, darf nicht durch die Preisgabe rechtsstaatlicher Prinzipien erkauft werden.“