Rentensatz soll stärker sinken

Bürger sollen weniger in die Alterskasse einzahlen müssen. „Eiserne Reserve“ ist erfüllt.

Berlin. Noch ist es nur Spekulation. Doch die Chancen sind gut, dass der Rentenbeitrag im kommenden Jahr auf 18,9 Prozent zurückgeht — und damit noch tiefer fällt als bislang angekündigt. Derzeit liegt er bei 19,6 Prozent. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden dann um rund sieben Milliarden Euro entlastet — jede Seite um 3,5 Milliarden Euro.

Das ist auf den ersten Blick kein schlechtes Geschäft. Wer 3000 Euro brutto im Monat verdient, hätte monatlich 10,50 Euro netto mehr auf dem Konto. Den gleichen Betrag müsste die Firma weniger bezahlen. Beim statistischen Durchschnitts-Bruttoeinkommen von derzeit 2600 Euro liegt die Entlastung bei 9,10 Euro im Monat.

Ob es so kommt, oder ob der Abschlag schließlich einen Tick geringer ausfällt, ist noch offen. Das wird sich erst im Spätherbst entscheiden. Bisher steht nur fest, dass der Rentenbeitragssatz von derzeit 19,6 Prozent sinkt, und zwar kräftig. Die Rentenkassen profitieren von der bislang guten Konjunktur, dem Job-Boom und den deshalb sprudelnden Beitragseinnahmen.

Das muss zwar nicht so bleiben, doch ist trotz Euro-Krise ein starker Einbruch nicht in Sicht. Eine massive Wirtschaftskrise würde sich erfahrungsgemäß auch erst mit Zeitverzug in den Rentenkassen auswirken.

Unter 19 Prozent lag der Rentenbeitragssatz zuletzt im Jahr 1995, damals bei 18,6 Prozent. Zwischenzeitlich — von Anfang 1997 bis Ende März 1999 — kletterte er auf 20,3 Prozent, ein zuvor noch nie gesehener Rekordwert. Dass der Rentenbeitrag nun ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl auf ein 18-Jahres-Tief fallen wird, dürfte nicht zuletzt der schwarz-gelben Regierungskoalition wie gerufen kommen.

Dass es dazu kommt, ist einem politisch festgelegten Automatismus geschuldet: Er führt dazu, dass der Beitragssatz immer dann ermäßigt werden muss, wenn die „eiserne Reserve“ anderthalb Monatsausgaben übersteigt.

Bisher rechnete die Rentenversicherung mit einem Anstieg der Rücklage bis Jahresende auf 28,8 Milliarden Euro. Das wären 1,66 Monatsausgaben. Zur Jahresmitte wurde aktuell freilich schon eine Rücklage von knapp 15 Milliarden Euro gemeldet. Dabei dürfte das zweite Halbjahr kaum schlechter ausfallen, denn Sonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld steigern die Beitragseingänge noch einmal.

Während die Wirtschaft auf den Automatismus einer Beitragssenkung pocht, weil er ihr eine spürbare Entlastung bei den Lohnnebenkosten bringt, zeigen sich die Gewerkschaften alarmiert. Auf mittlere Sicht befürchten sie eine Aushöhlung der Rentenfinanzen und einen beschleunigten Absturz der Renten. Nach aktuellem Rentenrecht soll das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent des Durchschnittsverdienstes vor Steuern sinken.

Der DGB hat ein eher unpopuläres Konzept dagegengesetzt: Es sieht unter Verzicht auf jede Beitragssenkung eine schrittweise Beitragssatzerhöhung um jeweils 0,2 Punkte bis auf 22 Prozent im Jahr 2025 vor. Dies wäre fünf Jahre früher als vorgesehen. Dafür aber würde das Rentenniveau von heute 51 Prozent erhalten.