Zentralbank enttäuscht die Finanzmärkte
Die Währungshüter sehen zunächst die Politik am Zug. Investoren hatten auf Ankauf von Staatsanleihen gehofft.
Brüssel. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihren Kampf gegen die Schuldenkrise verschärfen — aber nicht sofort. In den nächsten Wochen prüfen die politisch unabhängigen Euro-Währungshüter, was sie tun können. Das sagte EZB-Chef Mario Draghi in Frankfurt. Seine Äußerungen enttäuschten Investoren an den Finanzmärkten.
Investoren hatten gehofft, dass die EZB schon jetzt konkret sagt, was sie tun will, um die Unsicherheit an den Finanzmärkten zu verringern. Gerüchte kursierten, dass die EZB nach mehrmonatiger Pause erneut Schuldverschreibungen (Anleihen) klammer Euro-Staaten kaufen könnte. Draghi hatte derartige Hoffnungen vor ein paar Tagen mit wenigen Sätzen geweckt. Sie lauteten: „Die EZB ist bereit, alles zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, es wird genug sein.“ Draghis Aussage ließ die Zinsen für Anleihen von Euro-Sorgenstaaten sinken.
Der EZB-Chef kennt die Sorgen angesichts der grassierenden Euro-Krise. Und weiß, dass diese Sorgen das Schuldenmachen für einige Länder „ungewöhnlich“ stark verteuern. Doch er betont: „Hoffnungen und Ängste haben mehr mit der Psychoanalyse zu tun als mit der Wirtschaft.“ Die EZB setze auf eine „nüchterne Analyse der Tatsachen“.
Draghi sieht die Politiker in der Pflicht: „Die EZB kann die Arbeit von Regierungen nicht ersetzen.“ Es sei Aufgabe der Politiker, die Staatshaushalte zu sanieren. Krisenländer wie Italien und Spanien fordern seit längerem mehr Hilfe von der EZB.
Sie erwägt unter anderem, wieder Staatsanleihen zu kaufen. Doch anders als früher knüpfen die Währungshüter dies an Bedingungen. Damit können klamme Staaten nicht mehr auf rasche bedingungslose Unterstützung von der EZB hoffen. Denn der Euro-Rettungsfonds kauft nur Anleihen, wenn ein Land das beantragt. Dessen Regierung muss sich im Gegenzug verpflichten, zu sparen oder die Wirtschaft zu reformieren.
Deutschland sieht das kritisch. Bundesbank-Chef Jens Weidmann äußerte bei der EZB-Sitzung erneut Bedenken, räumte Draghi ein. Es sei „klar und bekannt“, dass vor allem Weidmann Anleihen-Käufe kritisch sehe, sagte der EZB-Chef ungewöhnlich deutlich.
Sorgenstaaten wie Italien und Spanien stehen Anleihe-Käufen viel offener gegenüber. Doch auch in Deutschland gibt es Befürworter. „Ich kann die Vorbehalte der Bundesbank gegen neue Anleihen-Käufe nicht nachvollziehen“, sagt zum Beispiel Wirtschafts-Professor Peter Bofinger. Die Bundesbank habe das selbst „vorexerziert“. „Während des Wirtschaftsabschwungs 1975 hat sie für Milliarden deutsche Staatsanleihen gekauft. Mit dem Ziel, die langfristigen Zinsen zu senken“, sagt der Wirtschaftsweise. Auch die US-Notenbank Fed und ihr britisches Pendant zeigten, „dass man Staatsanleihen in großem Stil kaufen und so niedrige Zinsen schaffen kann“. Bofinger und andere Ökonomen halten die EZB derzeit für die „einzige handlungsfähige Institution in der Euro-Zone“.
Ja. Denn Deutschland und die anderen Länder sind die Eigner der EZB. Schon mit den bisher aufgekauften Schuldverschreibungen klammer Euro-Staaten lud sie sich neue Risiken auf.
Falls ein Staat seine Schulden nicht oder nicht komplett begleicht, müsste die EZB auf einen Teil ihres geborgten Geldes verzichten. Das könnte laut Experten einen Teil ihrer Rücklagen oder ihres Eigenkapitals aufzehren.
Die Folge: Die Gewinne aus Wertpapier-Geschäften sinken, daher erhalten die Regierungen der Euro-Staaten weniger Geld aus Notenbank-Gewinnen überwiesen. Im Extremfall, also bei großen Verlusten, müssen die Regierungen Geld nachschießen, um das EZB-Kapitalpolster zu stärken.