Schwarz-Gelb will das „Volksnetz“
Bürger sollen sich bundesweit finanziell am Bau von Stromtrassen beteiligen — und dafür drei bis fünf Prozent Zinsen bekommen.
Berlin. Es war nur ein symbolischer Knopfdruck, aber er könnte der Auftakt zu einer kleinen Revolution gewesen sein. Mitte Juni starteten Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) in Heide die bundesweit erste Bürgeranleihe bei einer Höchstspannungsleitung. Betreiber Tennet baut bis 2018 eine 150 Kilometer lange Leitung zwischen Brunsbüttel und Niebüll an der Nordseeküste. Bürger, die sich finanziell beteiligen, sollen drei bis fünf Prozent Zinsen bekommen. Nun soll das Modell Schule machen.
„So kann der Netzausbau beschleunigt und die Akzeptanz erhöht werden“, sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Freitag bei der Vorstellung eines Eckpunktepapiers für eine Bürgerbeteiligung bei der Finanzierung neuer Stromtrassen. Allerdings soll diese zunächst vorrangig für Bewohner an neuen Trassen möglich sein. Altmaier hatte die Idee ins Spiel gebracht, doch die vier Übertragungsnetzer waren zunächst skeptisch.
Bürger sollen sich mit Einlagen von mindestens 1000 Euro beteiligen können — und Zinsen von bis zu fünf Prozent ab Baubeginn bekommen. Angesichts homöopathischer Sparzinsen wäre das eine attraktive, langfristige und sichere Anlageoption. Bürger sollen sich so an bis zu 15 Prozent der Investitionssumme einer Leitung beteiligen können.
„Das Modell sollte flächendeckend zur Verfügung stehen, wenn die Bagger rollen“, sagt Altmaier. Nach der Bundestagswahl soll das Ganze rasch umgesetzt werden, im Prinzip begrüßt es auch die Opposition. Für die 35 000 Kilometer an Höchstspannungsleitungen sind die vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW verantwortlich. Bis 2022 sollen drei neue Stromautobahnen mit insgesamt 2800 Kilometer Länge gebaut werden. Planungs- und Bauzeiten sollen von zehn auf vier Jahre verkürzt werden — dafür müssten sich Klagen und Bürgerproteste verringern.
Das Geld für neue Netze beschaffen sich die Netzbetreiber bisher über Eigenkapital am Finanzmarkt. Da sie dort niedrigere Zinsen zahlen als mit fünf Prozent an die Bürger, sollen sie ihre Mehrkosten zurückbekommen. Fließt der Strom durch die neue Leitung, werden die Kosten auf die Netzentgelte umgelegt.
Sie machen im Schnitt etwa ein Viertel des Strompreises aus. 50Hertz-Geschäftsführer Boris Schucht rechnet nicht mit steigenden Strompreisen. Derzeit müsse an immer mehr Tagen in den Betrieb eingegriffen werden, weil Stromnetze für den Abtransport von Windstrom fehlen. Wenn der Ausbau beschleunigt werde, entfielen hohe Millionenkosten. So könnte die Dividende sogar zu sinkenden Strompreisen führen.