Schwarz-Rot regiert weiter – vorerst

Bis zur Wahl der Kanzlerin bleibt die Große Koalition im Amt.

Berlin. Sie sind abgewählt - aber ausgecheckt haben sie noch nicht. Alltag herrscht in den Bundesministerien. Selbst die SPD-Minister der Großen Koalition erscheinen wie gewohnt zum Dienst. Deutschland wird von der Großen Koalition regiert bis zur Amtseinführung der schwarz-gelben Minister.

So will es das Grundgesetz. Selbst wenn der neugewählte Bundestag spätestens am 27. Oktober zusammentritt, bleiben Angela Merkel und SPD-Vize Frank-Walter Steinmeier so lange auf Bitten des Bundespräsidenten im Amt, bis die Kanzlerin wiedergewählt ist und Horst Köhler auf ihren Vorschlag die Minister ernannt hat.

"Die Ministerin nimmt ihre Termine selbstverständlich wahr", heißt es etwa im Gesundheitsministerium von Ulla Schmidt (SPD). Wer dort anruft, spricht wieder mit Klaus Vater, dem langjährigen Pressechef des Hauses.

Seinen Stuhl als stellvertretender Kurzzeit-Regierungssprecher musste Vater am Montag für Thomas Steg räumen. Nach dessen Ausflug als Wahlkampfberater von SPD-Kandidat Steinmeier kehrt Steg vorläufig ins Presseamt der Bundsregierung zurück - bis demnächst ein FDP-Mann den Posten übernimmt.

"Die Amtsübergabe erfolgt ordentlich und kooperativ", heißt es auch im Haus von SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz. Keine Akten werden geschreddert oder bei Nacht und Nebel aus den Büros transportiert. Und selbstverständlich: "Der Minister nimmt seine Termine wahr." Auch Sigmar Gabriel, Umweltminister und vermutlich bald SPD-Chef, fährt noch zum nächsten Öko-EU-Rat nach Luxemburg.

Da die Unions-Hälfte der Koalition sowieso irgendwie weiterregiert, bleibt der ganz große Umbruch auch im Ministerienapparat aus - anders als beim Wechsel im Jahr 1998 von Helmut Kohl zu Rot-Grün. Politisch motivierte Bewegung gibt es dennoch im Beamtenheer.

1.000 Parteieintritte meldete die FDP stolz am Wahlabend. "Die Hälfte davon sicher im Auswärtigen Amt", spotten Berliner Beobachter. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass besonders weitsichtige Ministeriums-Mitarbeiter gleich mehrere Parteibücher ihr eigen nennen.

Andere Beamte versuchen, auf dem Weg abwärts der Karriereleiter ihrem politischen Schicksal zu entkommen: Mancher Ministerialdirektor verzichtete auf 1.400 Euro Monatsgehalt und ließ sich auf eigene Bitte zum Unterabteilungsleiter degradieren. Der Vorteil: Unterabteilungsleiter können von der neuen Regierung nicht mehr als politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden und müssen bis zur Pensionierung weiter beschäftigt werden.