„Sie belügen uns, wir belügen sie“

Misstrauen und Verschwörungen: Die Wikileaks-Dokumente geben Einblicke in die Intrigen-Kultur arabischer Politik.

Kairo. In demokratischen Staaten ist die Kluft zwischen den öffentlichen und inoffiziellen Äußerungen der Herrschenden meist nicht allzu groß. In den arabischen Staaten, die halbdemokratisch oder ganz ohne jede Beteiligung der Untertanen regiert werden, vertreten die Machthaber dagegen hinter verschlossenen Türen gelegentlich ganz andere Positionen als in der Öffentlichkeit.

Das ist auch der Grund dafür, weshalb die jüngste Veröffentlichung der Internetplattform Wikileaks für die orientalischen Herrscher so heikel ist. Denn in den Depeschen von US-Diplomaten lässt sich erkennen, dass einige dieser Machthaber die Regierungen der Nachbarstaaten oder auch ihr Volk belügen.

Beispielsweise erklärte sich der jemenitische Präsident Ali Abdullah Salih im vergangenen Januar in einem Gespräch mit US-Kommandeur David Petraeus bereit, so zu tun, als stecke sein Militär hinter den Angriffen auf mutmaßliche El-Kaida-Terroristen und nicht die US-Armee. In einem US-Protokoll des Treffens wird er mit den Worten zitiert: "Wir werden weiterhin sagen, dass dies unsere Bomben sind und nicht eure."

Der Ministerpräsident des Golfstaates Katar, Scheich Hamad bin Dschasim al-Thani, soll US-Regierungsbeamten im Dezember 2009 über das nach außen hin gute Verhältnis seines Landes zum Iran folgendes gesagt haben: "Sie belügen uns, wir belügen sie." Offenbar nimmt es auch der zur Herrscherfamilie gehörende kuwaitische Innenminister Scheich Dschabil al-Sabah mit der Wahrheit nicht so genau.

Im vergangenen Jahr soll er dem US-Botschafter in Kuwait gesagt haben, sein Land wolle die letzten vier Kuwaiter aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo nicht zurücknehmen, obwohl sich die Regierung offiziell angeblich um deren Freilassung bemühte: "Wenn sie verdorben sind, dann sind sie verdorben; und das Beste, was man tun kann, ist, sie loszuwerden. Ihr habt sie in Afghanistan aufgegriffen, dann solltet ihr sie dort auch wieder abwerfen, mitten in die Kampfzone."

Einen weniger brutalen Ansatz vertrat den Dokumenten zufolge König Abdullah von Saudi-Arabien. Er soll während eines Besuches des Antiterror-Beraters von US-Präsident Barack Obama im März 2009 vorgeschlagen haben, ehemaligen Guantanamo-Häftlingen einen Mikrochip zu implantieren, wie man es bei Jagdfalken und Pferden macht.