Bundestagswahl 2017 Soll der Staat Infrastruktur-Aufgaben auf Private übertragen?
Beim Thema Öffentlich-Private Partnerschaften gehen Union und FDP voran, die SPD ist zurückhaltend. Grüne, Linke und AfD sind dagegen.
Düsseldorf. Ein aktueller Fall verleiht einem schon in den Wahlprogrammen der Parteien kontrovers diskutiertem Thema neue Brisanz. Es geht um die Frage: Inwieweit sollen Private von der öffentlichen Hand beim Thema Verkehr einbezogen werden? Wie weit soll sich der Staat aus Infrastrukturprojekten zurückziehen, soll es Projekte Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP) geben?
In dem konkreten Fall geht es um die angekündigte Klage der Betreibergesellschaft eines fertig ausgebauten Abschnitts auf der A1 zwischen Hamburg und Bremen gegen den Bund. Es gibt Streit darum, wie die massiven Einnahmeausfälle aus der Zeit der Finanzkrise 2008/09 fair verteilt werden sollen. Das private Konsortium betreibt einen 72,5 Kilometer langen Abschnitt der A1, den es von 2008 bis 2012 sechsspurig ausgebaut hatte. Der Vertrag läuft über 30 Jahre. Die Vergütung durch den Bund richtet sich nach der Lkw-Verkehrsmenge und entsprechenden Einnahmen der Lkw-Maut. Diese sollen aber hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein. Der Betreiber fordert daher eine Veränderung der Vergütung, der Bund lehnt dies ab.
Nach Ansicht von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zeigt der Vorgang, dass eine Privatisierung von Autobahn-Projekten grundsätzlich falsch sei. „Da hat der ganz große Politiker Alexander Dobrindt heute die von ihm so gewollte und vorangetriebene Privatisierung einer Bundesautobahn schön in den Teich gesetzt, weil der private Betreiber Insolvenz anmelden muss“, sagte Schulz vor ein paar Tagen bei einer Wahlkampfveranstaltung.
Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) warf Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Fehler vor. „ÖPP geht eben nicht immer schneller, ist eben nicht immer billiger.“ Entscheidungen darüber müssten künftig sehr viel genauer und kritischer hinterfragt werden.
Im Wahlprogramm der SPD heißt es zum Thema ÖPP: „Eine Privatisierung der Straßeninfrastruktur und der Infrastrukturgesellschaft Verkehr bleibt ausgeschlossen. Öffentlich-Private Partnerschaften im Straßenbau können nur realisiert werden, wenn deren Wirtschaftlichkeit unter Beteiligung des Bundesrechnungshofes transparent nachgewiesen worden ist.“
Auch die Opposition ist großteils skeptisch mit Blick auf die Einbeziehung privater Investoren, die es auch bei einigen anderen Autobahnprojekten gibt. „Das Zocken mit der öffentlichen Infrastruktur muss endlich aufhören“, forderte der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler. Linken-Verkehrspolitikerin Sabine Leidig verlangte ein Moratorium für ÖPP-Autobahnprojekte. „Fernstraßen dürfen nicht nach Gewinnmaximierung gebaut werden, denn sie gehören zur öffentlichen Daseinsvorsorge.“
Im Wahlprogramm der Linken heißt es: „Autobahnen und Bundesstraßen sind wesentlicher Teil der öffentlichen Infrastruktur. Wir lehnen alle direkten oder indirekten Privatisierungen von Verkehrsinfrastruktur ab. ÖPP verursachen langfristig Mehrkosten, sind ein Risiko für die öffentliche Hand und schränken die Demokratie ein.“ Gegen ÖPP bei Projekten der öffentlichen Infrastruktur ist auch die AfD.
Dobrindts Ministerium bekräftigte dagegen, ÖPP seien ein „sinnvolles und gutes Instrument“. Dies sei keine Privatisierung von Autobahnen, nur Aufgaben würden an Private gegeben. Dies geschehe auf Basis einer soliden und detaillierten Wirtschaftlichkeitsprüfung. Im Wahlprogramm der FDP heißt es, durch Aktivierung privaten Kapitals könne die Sanierung und der Ausbau der seit Jahren unterfinanzierten Verkehrsinfrastruktur schneller vorangebracht werden. PK/dpa