Sprachpolizei fahndet nach dem Unwort des Jahres
Deutsch: Eine Jury ermittelt derzeit den Nachfolger von "notleidende Banken" und "betriebsratsverseucht".
Frankfurt. Schon jetzt, zweieinhalb Monate bevor das Unwort des Jahres 2010 bekannt gegeben wird, zeichnet sich ein heißer Anwärter auf diesen Titel ab: "Alternativlos" ist zurzeit der Favorit von Horst-Dieter Schlosser (73). Der Sprachwissenschaftler ist eines von sechs ständigen Mitgliedern der Jury, die seit 1991 den sprachlichen Missgriff schlechthin kürt.
Eigentlich sei "alternativlos" ein harmloses Wort, gibt Schlosser zu. "Wörter an sich sind unschuldig. Man muss auf den Kontext sehen." Und der sorge in diesem Fall für die Brisanz: Die Bundesregierung habe den Begriff für politische Entscheidungen verwendet. "Wenn ich damit Dinge bezeichne, bei denen ich eben doch Alternativen bedenken könnte, entfernt er sich von der Realität. Alternativlos - das ist das ,Basta’ der Merkel-Regierung".
Dass seine Entscheidungen oft politisch geprägt sind, streitet Schlosser nicht ab. Ganz im Gegenteil, er verweist auf seinen produktivsten Unwortschöpfer: Guido Westerwelle. "Seine Aussagen sind eine Quelle für viele Vorschläge, man erinnere zum Beispiel an die spätrömische Dekadenz." Aber auch die Formulierung vom "anstrengungslosen Wohlstand" für Menschen, die von staatlicher Unterstützung leben müssen, sei unter den 400Einsendungen, die er bisher erhalten hat. Auch wenn die Sprachgewandtheit der Politiker und Funktionäre ein Hinweis auf den Reichtum und die Flexibilität der Sprache ist, müsse die Bedeutung eines Wortes durchsichtig bleiben.