Berlin „AKK muss Prioritäten setzen“

Berlin · Tobias Lindner (Grüne) zu den neuen Aufgaben der CDU-Chefin.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner.

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Mangelhafte Ausrüstung,  große Nachwuchssorgen, schlechtes Image  – die Liste der Probleme bei der Bundeswehr ist lang. Was die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer  (CDU) jetzt anpacken muss, erklärt der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner.

Herr Lindner, Ursula von der Leyen hat viel Vertrauen in der Truppe verloren. Sind Sie erleichtert, dass sie nicht mehr Verteidigungsministerin ist?

Tobias Lindner: Richtig ist sicher, dass Frau von der Leyen in ihrer fast sechsjährigen Amtszeit als Verteidigungsministerin den Beweis schuldig geblieben ist, die Lage der Bundeswehr zum Besseren zu wenden. Es gibt mittlerweile zwar deutlich mehr Geld, und sie hatte auch zahlreiche Trendwenden angekündigt, wie zum Beispiel mehr Transparenz im Beschaffungswesen. Aber wenn ich etwa an die Berateraffäre denke, dann hat sie diese Ansprüche nicht selbst gelebt.

Ist Annegret Kramp-Karrenbauer die richtige Nachfolgerin?

Lindner: Da bin ich sehr gespannt. Denn als Verteidigungspolitikerin ist sie ja ein unbeschriebenes Blatt. Sie hat aber eine faire Chance verdient. Dabei kann sie sich jedoch nicht viel Einarbeitungszeit leisten, denn bereits im Herbst müssen Entscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel, was die Beschaffung von Material und die Rekrutierung von Personal angeht.

Was sollte AKK zuerst angehen?

Lindner: Sie muss zuallererst das Verhältnis zwischen Ministerium und Truppe verbessern. Das war unter von der Leyen sehr gestört. Hier ist besonders wichtig, dass die Nachfolgerin klar macht, dass sie das Amt ausfüllen will. Sie muss Interesse am Thema zeigen. Mir sagen Soldatinnen und Soldaten, sie wollten keine Ministerin mehr haben, die dieses Amt nur als Karrieresprung betrachtet. Und sie muss Prioritäten setzen.

Soll heißen?

Lindner: Nach meiner Einschätzung hat von der Leyen Planungen bei Personal und Material aufgestellt, die unrealistisch sind. Es ist auch unnötig, die Sollstärke der Truppe von jetzt 185 000 auf  mehr als 200 000 Frauen und Männer zu erhöhen. Stattdessen muss die bestehende Struktur gestärkt werden. Und zum anderen muss sich Kramp-Karrenbauer dringend um die Einsatzfähigkeit des Materials kümmern. Wartung und Instandhaltung  müssen eine höhere Priorität haben als irgendwelche hochtechnisierten Rüstungsvorhaben.

Hat sie finanziell genug Spielraum, um die Truppe auf  Vordermann zu bringen?

Lindner: Noch einmal: Der Verteidigungsetat ist in den letzten Jahren gewachsen wie kaum ein anderer Einzelhaushalt. Mehr Geld wird die Probleme der Truppe nicht lösen. Es geht darum, die Mittel effizient einzusetzen.

Dann sollte AKK auch nicht das Zwei-Prozent-Ziel verfolgen, das die Nato als Maßstab für die nationalen Verteidigungsausgaben festgelegt hat?

Lindner: Wenn man sich die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung anschaut, dann ist Deutschland schon lange von diesem Ziel abgekommen. Also sollte man den Verbündeten da auch reinen Wein einschenken. Kluge Sicherheitspolitik ist, wenn die Soldaten für den Auftrag, den sie haben, vernünftig ausgestattet sind. Daran krankt es noch erheblich.