Fragen und Antworten EU kündigt Visa-Abkommen mit Russland - Was das konkret bedeutet
Deutschland hat sich im Streit über die Vergabe von Visa an Russen durchgesetzt, das Ergebnis: Kein Bann, aber die Aufhebung eines EU-Abkommens mit Russland - was die Maßnahme für Folgen hat? Fragen und Antworten.
Eine Visa-Erschwernis für Russen, aber kein umfassender Visa-Bann: Auf diesen Minimalkompromiss haben sich die EU-Außenminister am Mittwoch in Prag im Grundsatz verständigt. Deutschland sprach sich gegen weitgehende Einreisebeschränkungen aus. Der Schritt ist eine weitere Strafmaßnahme in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der seit mehr als einem halben Jahr andauert.
Worauf hat die EU sich geeinigt?
Die EU-Außenminister verabredeten, ein EU-Abkommen zur Visa-Erleichterung mit Russland von 2007 aufzukündigen. Damit konnten russische Staatsbürger bisher in der Regel innerhalb von zehn Werktagen und zum ermäßigten Preis von 35 Euro Visa zur Einreise erhalten. Solche Abkommen zur bevorzugten Behandlung hat die EU nur mit elf Staaten. Bislang war das 2007 in Kraft getretene Visaerleichterungsabkommen nur für Geschäftsleute, Regierungsvertreter und Diplomaten außer Kraft gesetzt.
Können Russen weiter in die EU einreisen?
Grundsätzlich ja. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte aber, das Aussetzen des Visa-Abkommens werde die Zahl der neu ausgestellten Visa signifikant reduzieren. Bundesaußenminister Annalena Baerbock sagte, dass die Antragstellung für Russen künftig im Zweifel Monate dauern könne. Gleichzeitig wird es nach ihren Angaben weiterhin möglich sein, zum Beispiel Studenten und Journalisten die Einreise zu ermöglichen. Ziel sei es auch zu verhindern, dass sich die Menschen aus Frust über westliche Sanktionen eher gegen die EU wenden als gegen ihren eigenen Präsidenten.
Für einen weitreichenden Visa-Bann aller EU-Staaten gab es bei dem Außenministertreffen nicht die nötige Zustimmung. Allerdings haben die Mitgliedsländer Estland, Lettland, Litauen, Finnland und Tschechien auf nationaler Ebene weitgehende Einreiseverbote für Russen angekündigt oder bereits umgesetzt. Auch Polen prüft einen solchen Schritt.
Wie kam es zu der Debatte?
Die Ukraine hatte die EU aufgerufen, ihre Grenzen für Russinnen und Russen zu schließen. „Die Russen unterstützen massiv den Krieg und applaudieren den Raketenangriffen auf ukrainische Städte und der Ermordung von Ukrainern“, hatte Außenminister Dmytro Kuleba kritisiert, der an dem Prager EU-Treffen teilnahm.
Was sagen die Kritiker?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits Mitte August gewarnt, ein genereller Visa-Bann für Russen würde auch „ganz Unschuldige“ treffen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) argumentierte in Prag, schutzbedürftige Kreml-Kritiker oder Studierende aus Russland müssten weiter die Möglichkeit haben, in der EU „Freiheitsluft“ zu atmen.
Um wie viele Visa geht es überhaupt?
Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex gab es seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar knapp eine Million Einreisen von Russen auf dem Landweg in die EU - die meisten über die Nachbarstaaten Estland und Finnland. Daneben sind nach Angaben der Baltenstaaten zehn bis zwölf Millionen Schengen-Visa für Russen im Umlauf. Die EU-Kommission soll nun prüfen, wie mit diesen bereits ausgestellten Visa umgegangen wird.
Wie viele Russen kommen nach Deutschland?
In der Bundesrepublik kommt nur ein Bruchteil dieser Menschen an: Die deutschen Auslandsvertretungen stellten nach Angaben des Auswärtigen Amts in diesem Jahr bis Mitte August rund 15.000 Schengen-Visa für russische Staatsangehörige aus sowie rund 11.000 nationale Visa für Einreisen nur nach Deutschland. Das ist deutlich weniger als noch vor der Corona-Pandemie 2019. Damals hätten im Monatsschnitt mehr als 30.000 russische Staatsangehörige ein Schengen-Visum von Deutschland erhalten, betont das Außenministerium.
Was ist mit Putin und seinen Unterstützern?
Die russischen Hauptverantwortlichen für den Ukraine-Krieg gelten in der EU bereits als unerwünschte Personen: Gegen mehr als 1200 haben die Mitgliedsländer seit Kriegsbeginn in ihren sieben Sanktionspaketen Einreisesperren verhängt. Zu ihnen zählt auch Präsident Wladimir Putin selbst.