Analyse UN-Migrationspakt - CDU will nun doch Parteitags-Debatte
Düsseldorf · Nachdem CDU/CSU und SPD die Diskussion des UN-Papiers allein der AfD überlassen haben, setzt nun Umdenken ein.
Über zwei Jahre haben die Koalitionäre den „Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ wie irgendeine UN-Resolution behandelt, die man nicht weiter erklären oder gar für sie werben müsse. Im Bundestag forderte ausschließlich die AfD (lehnt das Papier ab) immer wieder die Debatte über den sogenannten UN-Migrationspakt ein. Zeitweise weigerte sich der Bundestag sogar, Petitionen gegen das Papier zu veröffentlichen (rund 60 sollen vorliegen).
Wie geht es nun weiter?
Gestern entschloss sich die CDU, das Papier auf ihrem Bundesparteitag ( 7. und 8. Dezember, Hamburg) diskutieren zu lassen. Die Partei „Die Linke“ fordert eine Abstimmung im Bundestag. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag strebt nach interner Kritik nun einen Antrag an, der mit der SPD-Fraktion erarbeitet und im Bundestag zur Abstimmung eingebracht werden soll. Die CDU strebt an, den Beschluss mit der SPD noch in dieser Woche zu erreichen. Beschlossen werden wird das Papier von den Staats- und Regierungschefs beim UN-Gipfel am 10. und 11. Dezember in Marrakesch (Marokko). Die Staats- und Regierungschefs werden dem Pakt per Akklamation oder Handzeichen zustimmen, es werden keine Papiere unterschrieben. Damit handelt es sich eher um eine politische Absichtserklärung als um ein völkerrechtlich relevantes Rechtsdokument.
Was steht genau in dem Papier?
Der „Pakt“ stellt keinen völkerrechtlich bindenden Vertrag dar. Er bezieht sich nicht auf Menschen, deren Flüchtlingsstatus unbestritten ist, sondern vor allem auf Migranten, die nicht aus Gründen individueller Verfolgung (wie wirtschaftliche Not, Bürgerkrieg oder Naturkatastrophen) ihre Heimat verlassen. Der Pakt formuliert folgende 23 „Ziele für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“:
1. Erhebung und Nutzung korrekter und aufgeschlüsselter Daten als Grundlage für eine Politikgestaltung, die auf nachweisbaren Fakten beruht
2. Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Herkunftsländer zu verlassen
3. Bereitstellung korrekter und zeitnaher Informationen in allen Phasen der Migration
4. Sicherstellung dessen, dass alle Migranten über den Nachweis einer rechtlichen Identität und ausreichende Dokumente verfügen
5. Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für eine reguläre Migration
6. Förderung einer fairen und ethisch vertretbaren Rekrutierung von Arbeitskräften und Gewährleistung der Bedingungen für eine menschenwürdige Arbeit
7. Bewältigung und Minderung prekärer Situationen im Rahmen von Migration
8. Rettung von Menschenleben und Festlegung koordinierter internationaler Maßnahmen betreffend vermisste Migranten
9. Verstärkung der grenzübergreifenden Bekämpfung der Schleusung von Migranten
10. Prävention, Bekämpfung und Beseitigung von Menschenhandel im Kontext der internationalen Migration
11. Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement
12. Stärkung der Rechtssicherheit und Planbarkeit bei Migrationsverfahren zur Gewährleistung einer angemessenen Prüfung, Bewertung und Weiterverweisung
13. Freiheitsentziehung bei Migranten nur als letztes Mittel und Bemühung um Alternativen
14. Verbesserung des konsularischen Schutzes und der konsularischen Hilfe und Zusammenarbeit im gesamten Migrationszyklus
15. Gewährleistung des Zugangs von Migranten zu Grundleistungen
16. Befähigung von Migranten und Gesellschaften zur Verwirklichung der vollständigen Inklusion und des sozialen Zusammenhalts
17. Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration
18. Investition in Aus- und Weiterbildung und Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen
19. Herstellung von Bedingungen, unter denen Migranten und Diasporas in vollem Umfang zur nachhaltigen Entwicklung in allen Ländern beitragen können
20. Schaffung von Möglichkeiten für schnellere, sicherere und kostengünstigere Rücküberweisungen und Förderung der finanziellen Inklusion von Migranten
21. Zusammenarbeit bei der Ermöglichung einer sicheren und würdevollen Rückkehr und Wiederaufnahme sowie einer nachhaltigen Reintegration
22. Schaffung von Mechanismen zur Übertragbarkeit von Sozialversicherungs- und erworbenen Leistungsansprüchen
23. Stärkung internationaler Zusammenarbeit und globaler Partnerschaften für eine sichere, geordnete und reguläre Migration
Die wichtigsten Argumente für eine deutsche Zustimmung:
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat in der Haushaltsdebatte im Bundestag betont, der Pakt enthalte Verpflichtungen im deutschen Interesse, darunter die Bekämpfung von Schleuserbanden und die Rücknahme von Migranten durch die Herkunftsstaaten.
Die wichtigsten Argumente gegen eine Zustimmung:
Kritiker fürchten, dass der Pakt trotz der Zusicherung, keine Wirkung auf das deutsche Recht zu entfalten, zu weiterer Zuwanderung mit Bleiberechten führen werde, über das Ziel Nr. 15 einen unkontrollierten Bezug von Sozialleistungen begünstigen und über Ziel Nr. 17 zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen könnte.
Welche Staaten lehnen eine Zustimmung ab?
Die USA erklärten ihren Ausstieg aus dem Pakt bereits im Dezember 2017, als die Endfassung des Papiers noch gar nicht ausverhandelt war. Diese lag im Juli 2018 vor und führte zur Ablehnung durch Ungarn. Im Oktober schloss sich Österreich der Ablehnung mit der Begründung an, der Pakt schaffe faktisch ein „Menschenrecht auf Migration“ (das ist formal falsch). Inzwischen haben auch Bulgarien, Tschechien, Estland, Polen und die Slowakei erklärt, den Pakt nicht unterstützen zu wollen. Israels Premier Benjamin Netanjahu erklärte seine Ablehnung mit der harschen Begründung: „Wir fühlen uns dem Schutz unserer Grenzen vor illegalen Einwanderern verpflichtet.“ Auch Australien trägt den Pakt nicht mit, da dieser regelt, dass „Freiheitsentziehung bei Migranten nur als letztes Mittel“ erlaubt sein soll. In Australien ist die Internierung illegaler Migranten Standard.
Welche Staaten haben sich noch nicht entschieden?
Die Schweiz wird an der Konferenz in Marrakesch gar nicht teilnehmen, weil die Debatte das Parlament spaltet. Diskussionen laufen unter anderem noch in Belgien, Dänemark, Kroatien, den Niederlanden, Japan und Slowenien. Eine Ablehnung könnte auch aus Italien erfolgen, da der Pakt in Ziel Nr. 8 Rettungen verlangt, die Italien im Mittelmeer nicht nur ablehnt, sondern faktisch vor der libyschen Küste blockiert.
Weiterlesen:
Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ in deutscher Übersetzung als PDF auf den Seiten der UN: goo.gl/t6vLHH
Dokumente und Nachrichten im Internet-Angebot des Deutschen Bundestags zum Migrationspakt: goo.gl/i2jCbk
Petition gegen den Migrationspakt auf den Petitionsseiten des Deutschen Bundestags: goo.gl/JyxKys
Info-Seite der Bundes-SPD zum Migrationspakt: goo.gl/x15UXs
Info-Seite der Bundes-CDU zum Migrationspakt: goo.gl/7xTZ65