Berlin Die AfD droht ihrem Nachwuchs mit Aberkennung
Berlin · Parteichef Meuthen fordert Junge Alternative zur Trennung von „Extremisten“ auf. Die Partei hat Angst vor Beobachtung durch den Verfassungsschutz.
Die AfD-Spitze wehrt sich mit Macht gegen die drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz – und will sich deshalb von Rechtsradikalen in der Partei trennen. Der intern durchaus umstrittene Kurs der Führung um Parteisprecher Jörg Meuthen könnte jetzt zur Auflösung einer ganzen Gliederung führen: der Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) mit 2000 Mitgliedern.
Bei der hatte es in den letzten Monaten gehäuft rechtsradikale Zwischenfälle gegeben, sodass schon in Bremen, Niedersachsen und Baden-Württemberg eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz angeordnet wurde. Nun platzt dem Vorstand offenbar der Kragen. Bei einer Telefonkonferenz am Montag beschloss die Führung, der nächste Konvent am 8. Dezember solle prüfen, ob dem Bundesparteitag ein Antrag zur Änderung der Bundessatzung im Punkt Jugendorganisation vorgelegt wird. In der Pressemitteilung war von „Abscheu“ über „menschenverachtende Einzeläußerungen von JA-Mitgliedern“ die Rede. Zudem wurde die „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ kurzfristig zu einer Sondersitzung einberufen. Das Team arbeitet seit September an Vorschlägen, wie die Partei mit rechtsextremistischen Tendenzen umgehen soll.
Die JA würde auf einen Schlag ihre Legitimität verlieren
In der Satzung heißt es in Paragraf 17a, dass die JA die „offizielle Jugendorganisation“ der AfD ist. Eine Aberkennung würde sie mit einem Schlag ihrer Legitimität berauben; in allen Bundesländern wären Neugründungen nötig. Allerdings hat der Vorstand die Auflösung noch nicht sofort beantragt. Die Drohung soll erst einmal Druck auf die JA machen, der man auch ohne AfD-Mitgliedschaft angehören kann. „Ziel ist es, eine saubere Jugendorganisation zu haben“, sagte Meuthen unserer Zeitung. „Die Extremisten – man kann es nicht anders nennen – müssen schleunigst aus den Reihen verabschiedet werden.“
Zahlreiche Skandale sind der Hintergrund. So hatte in Niedersachsen Landeschef Lars Steinke den Hitler-Attentäter Stauffenberg als „Verräter“ bezeichnet. Gegen Steinke läuft ein Ausschlussverfahren; der Landesverband wurde aufgelöst. In Baden-Württemberg traten der Landesvorsitzende und weitere Vorstandsmitglieder zurück. Die Ausgetretenen, darunter Landeschef Moritz Brodbeck, sprachen von „regelrechten Parallelstrukturen mit engen Verbindungen zur Identitären Bewegung“, die die Hälfte der Mitgliedschaft ausmachten.
Die „FAZ“ berichtete über extremistische Äußerungen in Chatforen des Landesverbandes. So schrieb ein JA-Mitglied: „Man sollte diese ganzen Volksverräter öffentlich hinrichten lassen. Das ganze Kabinett Merkel IV.“ Und aus NRW berichteten der stellvertretende JA-Bundesvorsitzende Nicolai Boudaghi und Vorstandsmitglied Alexander Leschik, die rechtsradikalen Umtriebe in dem Landesverband hätten ein Maß erreicht, das der AfD schade. Boudaghi: „Und wenn die JA der AfD schadet, dann muss sie weg.“
Parteirechte kritisieren Kurs des AfD-Vorstands
In der Führung um Meuthen besteht die Sorge, dass eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz viele Sympathisanten abschrecken würde. Meuthen sagte Anfang des Monats bei der Vorstellung der Ergebnisse der „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“: „Wir sind durch und durch Rechtsstaatspartei und stehen felsenfest zur freiheitlich demokratischen Grundordnung.“ Die Parteirechten kritisieren diesen Kurs scharf. So sprach Reimond Hoffmann, verbliebener JA-Vizechef in Baden-Württemberg, bereits von einer „Panikreaktion“. Und Björn Höcke, Ikone der Parteirechten, nannte die Aktivitäten der Parteiführung jüngst „politische Bettnässerei“.