Union lässt die FDP auflaufen

Streit um Gesundheits- und Sozialpolitik.

Berlin. Ronald Pofalla reagierte umgehend. Am Montag führte er in der CDU einen Beschluss herbei, wonach die Mitbestimmung in Betrieben bei den Koalitionsverhandlungen nicht zur Disposition steht. Der CDU-Generalsekretär wurde in eigener Sache vorstellig. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Pofalla Sozialminister werden soll. Er leitet die Arbeitsgruppe "Soziales" und sitzt zugleich in der Spitzenrunde, in der über den Koalitionsvertrag letztlich entschieden wird.

Die Wirtschaftsexperten von Union und FDP nennen diese Runde das "Zentralkomitee" (ZK). Wann immer in den Arbeitsgruppen Streit herrscht, heißt es: "Das muss das ZK entscheiden." Das war häufiger der Fall, als es den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) lieb sein kann. Sie müssen am nächsten Wochenende alle Streitfragen ausräumen.

Die erste Woche verlief zwar harmonisch, aber war arg unverbindlich. Mehrmals wurden die Unterhändler mit Hinweis auf das ZK vertröstet. Große Zugeständnisse rangen die Liberalen der Union bisher nicht ab.

Aussichtslos sind die FDP-Forderungen, HartzIV durch ein Bürgergeld zu ersetzen, Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse durchzusetzen, Mindestlöhne zu überprüfen und den Kündigungsschutz zu lockern. Eine Verständigung unter den Fachleuten gibt es aber darüber, Schonvermögen und Hinzuverdienstgrenzen für ALG-II-Empfänger zu erhöhen. Dann würde Ronald Pofalla der Sozialminister, der die Gerechtigkeitslücken von Rot-Grün schließt.

Ähnlich ernüchternd für die FDP verlaufen auch die Gespräche auf anderen Feldern. Nachdem das Finanztableau abgesteckt wurde, sah Generalsekretär Dirk Niebel zwar immer noch Spielraum für Steuersenkungen. Über die Größenordnung verlor er jedoch kein Wort. Es ist freilich ein zentrales Wahlversprechen.

Bisher kam die Union den Liberalen weder in der Sozialpolitik noch bei der Gesundheit oder der Inneren Sicherheit entscheidend entgegen. Die Christdemokraten wissen aber, dass Westerwelle mit leeren Händen keinen Vertrag unterzeichnen kann. An zwei, drei Punkten muss seine Handschrift erkennbar sein, vor allem bei den Steuern.

Selbst die Schulden werden daher zur Verhandlungssache. Der "Konsolidierungsbedarf" ging binnen weniger Tage von 40 auf 34, zuletzt auf 29 Milliarden Euro zurück. Es wird gerechnet, bis die FDP mit dem Ergebnis leben kann. Der Spielraum für Entlastungen wird auf 15 bis 20 Milliarden Euro geschätzt.

Zehn Milliarden Euro würden eine Erhöhung von Kinderfreibetrag und Kindergeld kosten. Die Koalitionäre müssen sich nun entscheiden, ob sie die "kalte Progression" im Steuertarif abschaffen oder lieber die Familienleistungen erhöhen wollen. Da muss das ZK ran.