US-Medien berichten US-Präsidentenwahl: Joe Biden steht unmittelbar vor dem Sieg
Washington · Im umkämpften US-Präsidentschaftsrennen hat der demokratische Kandidat Joe Biden im wichtigen Bundesstaat Pennsylvania die Führung übernommen. Jetzt liegt er in vier von fünf noch umkämpften Bundesstaaten vorn.
Bei der Präsidentenwahl in den USA ist Joe Biden dem Weißen Haus ein riesiges Stück näher gekommen. Der demokratische Herausforderer von Donald Trump lag am Freitag bei der Auszählung der Stimmen in vier von fünf noch umkämpften Bundesstaaten in Führung. Biden (77) überholte den Amtsinhaber von den Republikanern auch in Georgia und Pennsylvania. Allerdings war sein Vorsprung erst sehr knapp. Auch Trump hatte noch Chancen. Der 74-jährige US-Präsident machte deutlich, dass er sich mit einer Niederlage keinesfalls abfinden wolle. Den Vereinigten Staaten stehen kritische Wochen bevor - so oder so.
Wenn Biden in Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten gewinnt, hätte er die Mehrheit von 270 Wahlleuten bereits sicher. Am Freitagnachmittag (MEZ) notierte er - je nach Grundlage für die Berechnungen - noch bei 253 beziehungsweise 264 Stimmen. Auch in Georgia, Arizona und Nevada lag er vorn. Dagegen sah es für Trump in North Carolina und Alaska gut aus - was ihm allerdings nicht reichen würde. Der Präsident wird in den USA nicht direkt gewählt, sondern durch ein Gremium von Wahlleuten. Die Amtseinführung soll am 20. Januar 2021 stattfinden.
Bis dann wird es mit großer Wahrscheinlichkeit aber noch eine Schlacht vor den Gerichten geben. Befürchtet werden inzwischen auch Krawalle auf den Straßen. Trump stellte sich bei einem Auftritt im Weißen Haus abermals als Opfer systematischen Wahlbetrugs dar, ohne irgendeinen Beweis für seine Behauptungen zu nennen. Mehrere US-Fernsehsender brachen daraufhin ihre Live-Übertragung aus der Regierungszentrale ab. Auch in der eigenen Partei gibt es an Trumps Auftreten inzwischen massive Kritik.
Entschieden war die Wahl aber auch mehr als zwei Tage nach Schließung der letzten Wahllokale in mehreren Bundesstaaten noch nicht. Ein Grund dafür sind die vielen Wähler, die wegen der Corona-Pandemie per Post wählten. Außerdem durfte per Gesetz beispielsweise in Pennsylvania niemand vor dem Wahltag Briefwahlstimmen auszählen. Angesichts des knappen Rennens waren die US-Medien äußerst vorsichtig dabei, einen Gewinner auszurufen. Ein Überblick zum Stand am Freitagnachmittag (16.00 MEZ):
PENNSYLVANIA (20 Stimmen):
In dem Staat im Nordosten führte Trump zunächst klar, zeitweise mit mehr als 700 000 Stimmen. Biden holte aber auf, je mehr Briefwahlstimmen ausgezählt wurden. Am Freitagnachmittag überholte er Trump und lag mit etwa 6800 Stimmen vorn. Grund dafür war offensichtlich, dass sich ein großer Teil der Briefwähler für ihn entschieden.
GEORGIA (16 Stimmen):
In dem Südost-Staat lag Trump anfangs mit mehr als 300 000 Stimmen vorn. Im Lauf der Auszählung schmolz der Vorsprung dann aber von Stunde zu Stunde zusammen. Am Freitagmorgen (Ortszeit) hatte Biden dann erstmals 1100 Stimmen mehr. Es könnten aber noch einige Tausend Stimmen hinzukommen, unter anderem von Militärangehörigen. Die Demokraten haben Georgia seit 1992 nicht mehr gewonnen.
ARIZONA (11 Stimmen):
Die Nachrichtenagentur AP und der Fernsehsender Fox hatten den Staat recht früh in der Wahlnacht bereits Biden zugeschlagen. Andere Medien hielten sich zurück. Im Lauf der Auszählung konnte Trump aufholen. Dann vergrößerte sich Bidens Vorsprung aber wieder etwas - auf mehr als 47 000 Stimmen.
NEVADA (6 Stimmen):
In dem Staat im Westen - mit der Glücksspiel-Hochburg Las Vegas - sah es nach einem knappen Erfolg Bidens aus. Er führte mit rund 11 400 Stimmen.
NORTH CAROLINA (15 Stimmen):
In dem Ostküsten-Staat lag Trump mit mehr als 76 000 Stimmen vorn, was für Biden kaum noch einzuholen war. Besonderheit: In North Carolina werden sogar noch Briefwahlstimmen gezählt, die bis zum 12. November eingehen - also neun Tage nach dem Wahltag. Mit einem Ergebnis wurde am Freitag nicht mehr gerechnet. Alaska, wo es ebenfalls noch kein Ergebnis gab, gilt als sichere Bank für Trump.
Falls der Amtsinhaber tatsächlich verlieren sollte, rechnet kaum jemand mit einem Eingeständnis seiner Niederlage. Der Präsident kündigte an, sich mit einer ganzen Serie von Klagen bis hinauf zum Obersten Gericht gegen eine Niederlage zu wehren. «Es wird eine Menge Klagen geben. Wir können nicht zulassen, dass eine Wahl auf diese Weise gestohlen wird». In einigen Bundesstaaten sind Klagen schon eingereicht. In Michigan und Georgia wurden Beschwerden auch schon abgewiesen.
Auch auf Twitter setzte der amtierende Präsident seine Betrugsvorwürfe fort. Er behauptete, die Wahl mit «legal» abgegebenen Stimmen mit Leichtigkeit gewonnen zu haben. Twitter verpasste dem Tweet umgehend den Warnhinweis, dass der Beitrag irreführende Informationen enthalten könne. Aus seiner eigenen Republikanischen Partei gab es nur wenig Unterstützung. Mehrere führende Republikaner kritisierten den Vorstoß.
«Es gibt keine Rechtfertigung für die Äußerungen des Präsidenten heute Abend, die unseren demokratischen Prozess untergraben», schrieb der republikanische Gouverneur des Bundesstaats Maryland, Larry Hogan, auf Twitter. Der Kongressabgeordnete Adam Kinzinger twitterte: «Hören Sie auf, entlarvte Falschinformationen zu verbreiten. (...) Das wird langsam verrückt.» Dagegen spendete der einflussreiche Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, Lindsey Graham, 500 000 Dollar für Trumps Anwaltsfonds.
Konkrete Anhaltspunkte für massiven Wahlbetrug gibt es keine. Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kamen zu dem Schluss, sie hätten «keinerlei Hinweise auf systemische Probleme finden können».
Inzwischen ist auch die Stimmung zwischen Anhängern und Gegnern des amtierenden Präsidenten sehr aufgeheizt. Viele Trump-Anhänger nahmen die Betrugsvorwürfe auf und beschuldigen das demokratische Lager sowie die Medien des Betrugs. Der Secret Service stellte einem Bericht der «Washington Post» zufolge zusätzliche Mitarbeiter ab, um Biden zu schützen.