US-Wahlen: Republikaner wollen neue Macht nutzen
Konjunkturprogramme sollen blockiert, die Finanzmarkt- und Gesundheitsreform gelockert werden.
Washington. Mit dem überzeugenden Durchmarsch der Republikaner bei den US-Kongresswahlen hat der Druck auf Präsident Barack Obama spürbar zugenommen, seine Reformagenda zu überdenken und deutliche Abstriche von Plänen zur Konjunkturstimulierung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu machen. Besonders akut könnte der Streit um die Sanierung der Staatsfinanzen werden, da die selbstbewusst auftrumpfenden Republikaner klar signalisiert haben, dass sie von Obamas geplanter Kombination aus Steuererhöhungen und diskretionären Ausgabenstreichungen nicht wissen wollen.
Obwohl die Republikaner im Repräsentantenhaus den hochgesteckten Erwartungen gerecht werden konnten und bis mindestens 2012 eine klare Mehrheit stellen werden, gelang es den regierenden Demokraten, trotz kräftiger Einbußen im Senat wenigstens eine hauchdünne Mehrheit zu behaupten. Obwohl in einem sogenannten gespaltenen Kongress in der Regel Kompromissbereitschaft angesagt ist, haben führende Vertreter der republikanischen Partei bereits durchblicken lassen, dass sie zum Angriff blasen werden. Sie wollen nicht nur die vom Weißen Haus vorgelegten Gesetzesinitiativen zu Fall bringen oder zumindest deutlich verwässern, sondern außerdem versuchen, die unter Obama bereits verabschiedeten Maßnahmenbündel wieder aufschnüren und rückgängig machen.
Prominenteste Opfer der Kongresswahlen könnten die Gesundheits- sowie die Finanzmarktreform werden. Nach Ansicht der Republikaner stellen neue Vorschriften zur Regulierung der Finanzinstitutionen einen unzumutbaren Kostenfaktor dar, den die Banken ohnehin in Form höherer Gebühren an ihre Kunden weitergeben. Ein besonderes Dorn im Auge ist den Konservativen die neue Verbraucherschutzbehörde, deren Überwachung der Kreditkartenindustrie sowie der Vergabe von Häuserdarlehen angeblich zu Marktverzerrungen führt und neben Gebührenanhebungen auch höhere Kreditzinsen zur Folge hat. Auch wollen sie die Aufsichtsregeln für Hedgefonds und Ratingagenturen wieder lockern.
Obamas Gesundheitsreform hingegen will die Opposition deswegen rückgängig machen, weil sie die geplanten Einsparungen bei der gesetzlichen Krankenversorgung Medicare, die Demokraten auf 500 Mrd. Dollar während der nächsten zehn Jahre schätzen, für illusorisch halten und glauben, dass das Gesetz in Wirklichkeit das Defizit nach oben treiben wird. Würde man die Reform wieder kippen, so John Boehner, der designierte neue Sprecher des Repräsentantenhauses, dann würde dies einen wesentlichen Beitrag leisten, um der ausufernden Staatsverschuldung einen Riegel vorzuschieben.
Ein deutlich heftigerer Streit wird sich an der Fiskal- und Steuerpolitik entzünden. Sicher erscheint, dass bereits in den zweieinhalb Monaten vor der offziellen Wachablöse im Kapitol, die im Januar mit der Vereidigung der neuen und alten Abgeordneten und Senatoren stattfinden wird, der Zoff um weitere Maßnahmen zur Konjunkturstimulierung die wirtschaftspolitische Debatte beherrschen wird. Während der Präsident die unter seinem Vorgänger George W. Bush verabschiedeten Einkommenssteuererleichterungen nur für die Mittelklasse sowie Ärmere beibehalten will, besteht die republikanische Opposition darauf, dass auch Wohlhabendere im Genuss der niedrigeren Steuersätze bleiben.
Auch fordert Obama vom Kongress zusätzliche 50 Mrd. Dollar zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten, will Steuergutschriften für Forschungs- und Entwicklungsausgaben verlängern und plädiert ferner für Steuervergünstigungen zur Förderung erneuerbarer Energien. Über die Steuergutschriften wollen die Republikaner zwar mit sich reden lassen. Weitere Ausgabenprogramme lehnen sie aber vor dem Hintergrund der ausufernden Staatsverschuldung un einer Defizitquote von mittlerweile über 100 % kategorisch ab und sind außerdem der Ansicht, dass Infrastrukturinvestitionen keinen nennenswerten Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leisten. Dem Weißen Haus Probleme bereiten dürfte zudem Paul Ryan, der designierte Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus. Ryan gilt als überzeugter "Defizitfalke" und würde versuchen, sämtliche Gesetzesinitiativen, die staatlich finanzierte Ausgabenprogramme enthalten, im Keime zu ersticken.
Zu einer Annäherung könnte es hingegen in der Außenhandelspolitik kommen. Obwohl sich Republikaner in der Vergangenheit zumindest öffentlich für Handelsliberalisierung aussprachen und Demokraten als verkappte Protektionisten beschimpften, wächst nun auch der Druck auf die Konservativen, sich auf den Exportmärkten verstärkt für die Interessen ihrer wichtigsten Geldgeber einzusetzen. Dazu zählen neben führenden multinationalen Konzernen auch Exportlobbyisten und allen voran die US-Handelskammer, die mehrere hundert Millionen Dollar an Wahlspenden in republikanische Kandidaten investierte und sich als Gegenleistung vom Kongress eine härtere Gangart sowohl gegenüber China als auch den Überschussländern in der Europäischen Union erwartet.