US-Wahlkampf auf der Zielgeraden
Republikaner vor dem Durchmarsch? Opposition mit dem erklärten Ziel, Obama poilitsch zu lähmen.
Washington. Die USA stehen vor einer bedeutenden politischen Kräfteverschiebung. Glaubt man den wichtigsten Umfragen und Expertenvoraussagen, dann wird die republikanische Partei bei den amerikanischen Kongresswahlen das Repräsentantenhaus im Sturm erobern und mit etwas Glück im Senat gleichziehen können, aller Wahrscheinlichkeit nach aber knapp in der Opposition bleiben.
Für Präsident Barack Obama und seine demokratischen Parteifreunde, die in der Wählergunst weiter abrutschen, ein Weckruf.Wie auch vergangene Wahlen bewiesen, ist kaum anzunehmen, dass bis Mittwochmorgen die Ergebnisse endgültig feststehen werden. Seitdem vor zehn Jahren diverse Instanzen durchlaufen wurden und nach über einem Monat nicht etwa eine Mehrheit der amerikanischen Wähler, sondern vielmehr der Oberste Gerichtshof George W. Bush zum 43. Präsidenten kürte, haben Kandidaten jeder politischen Couleur entdeckt, dass man in einem knappen Duell sich keineswegs geschlagen geben muss.
Etliche Anwärter auf einen Sitz auf dem Kapitolshügel, die knapp unterliegen, könnten das vorläufige Ergebnis anfechten. Besonders interessant dürfte es bei der Senatswahl in Nevada werden, wo Harry Reid, der mächtige demokratische Fraktionschef im Senat, sensationell seinen Sitz gegen die politisch unerfahrene Senkrechtstarterin Sharon Angle verlieren könnte.
Auch in Colorado, Illinois, Alaska, West Virginia, Maryland und bei der Gouverneurswahl in Kalifornien drohen Hängepartien.Doch ganz egal, ob die Republikaner beide Kongresskammern zurückerobern oder nur das Repräsentantenhaus gewinnen, könnte das Wahlergebnis den politischen Apparat in der US-Hauptstadt zum Stillstand bringen.
Denn: Die selbstsicher auftrumpfenden Republikaner wollen nicht nur jede neue Gesetzesinitiative des Präsidenten blockieren oder zumindest verwässern. Sie wollen sogar Maßnahmenbündel, die Obama während der ersten zwei Jahre seiner Amtszeit durch den Kongress boxen konnte, wieder aufschnüren.
Dazu zähle insbesondere die Gesundeitsreform und das neue Gesetz zur schärferen Überwachung der Finanzmärkte.Ob ihnen das gelingen wird, ist zwar fraglich, da der Präsident sein Veto einlegen kann und es an der notwendigen Mehrheit fehlt, um dieses zu überstimmen.
Das Regieren aber wird ihm nicht leichter fallen. Denn die meisten der konservativen Kandidaten folgen dem Aufruf von Mitch McConnell, dem republikanischen Fraktionschef im Repräsentantenhaus, der klare Prioritäten gesetzt hat: "Ich habe bei den Wahlen nur ein Ziel" erklärte der Senator aus Kentucky, "nämlich sicherzustellen, dass Präsident Obama in 2012 kein zweites Mal gewählt wird."
Dies bedeutet, das jede Idee, jede Initiative und jede Gesetzesvorlage, die aus dem Weißen Haus kommt, während der kommenden zwei Jahre hinterfragt und totgeredet wird.Betroffen wären nicht nur die Gesundheitspolitik und Finanzmarktreform, sondern auch die Außen- und Sicherheitspolitik. So lehnen selbst gemäßigte Republikaner Obamas Plan, ab Juli die Truppenpräsenz in Afghanistan zurückzufahren, mit dem Hinweis auf das Wiederstarken der Taliban und der damit verbundenen Terrorgefahr ab. Der konservative Parteiflügel plädiert sogar für eine weitereAufstockung und will von einem Zeitplan für den Truppenrückzug nichtswissen.
Auch könnte das von Washington und Moskau unterzeichnete neue START-Abkommen in Gefahr sein, da die Opposition befürchtet, dass dies eine Schwächung des heimischen Raketenabwehrsystems zur Folge hätte.
Faktisch begraben kann der Präsident nach den Wahlen seine Pläne für eine Energiereform, die auf die Förderung erneuerbarer Energien abzielt, den Emissionshandel gesetzlich verankern würde und die größten Umweltsünder unter den Indistrieunternehmen mit höheren Steuern bestrafen würde. Die Energiereform konnte Obama nicht einmal mit der Rückendeckung klarer demokratischer Mehrheiten durch den Kongress bekommen.
Wenn im Januar mit dem Beginn der neuen Legislaturperiode in beiden Kammern die Sitze neu verteilt werden, dann wird eine umweltfreundlichere Energiepolitik erst Recht keine Chancen haben.