Renate Künast im Interview: "Wir heben nicht ab"

Frau Künast, seit Wochen befinden sich die Grünen im Umfrage-Hoch. Ist es schwierig, die Euphorie in der Partei zu bremsen?

Künast: Wir freuen uns über die Zustimmung, aber wir heben nicht ab. Wir machen solide, systematische und glaubwürdige grüne Politik. Wir haben uns weiterentwickelt. Heute können wir Wirtschaft, Umweltschutz und zukunftsfähige Energiepolitik miteinander verbinden und daraus viele neue Arbeitsplätze gewinnen. 340 000 gibt es im Bereich erneuerbare Energien schon, diese Zahl wollen wir verdoppeln. Wir stehen für eine bessere Bildungs-Infrastruktur, denn gute Bildung für alle ist eine zentrale Gerechtigkeitsfrage. Die guten Umfragewerte sind die Antwort auf diese Politik. Die Leute sehen, dass wir klare Ziele einer gerechten und ökologischen Gesellschaft verfolgen.

Künast: Es ist doch logisch, dass die Menschen uns gerade bei diesen Themen mehr trauen als anderen. Wir fordern, seit es uns gibt, mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz. Bei Stuttgart 21 zeigen wir seit Jahren Alternativen auf, die weniger kosten und mehr bringen.

Künast: Während Schwarz-Gelb gegen den Willen und gegen die Interessen der großen Mehrheit einen schmutzigen Deal mit den Energiekonzernen durchgepeitscht hat und damit energiepolitisch in die 80er Jahre zurückgefallen ist, haben wir Konzepte entwickelt für 100 Prozent erneuerbare Energien. Bis 2020 können wir schon 40 Prozent CO2 einsparen und dabei in Stromerzeugung, Wärme und Verkehr viele neue Jobs schaffen. Diese Politik, die respektvoll mit den natürlichen Lebensgrundlagen umgeht, nicht auf Kosten anderer lebt und Zukunft schafft, finden offensichtlich immer mehr Menschen richtig.

Künast: Volksparteien sind für mich Parteien, die jedem nach dem Mund reden, aber keine Konzepte für die Zukunft entwickeln und dafür auch Lobbyinteressen bedienen. Die Klientelpolitik ist gescheitert, auch deshalb wird es Volksparteien mit Ergebnissen um 40 Prozent künftig nicht mehr geben. Wir Grüne übernehmen Verantwortung für das Ganze. Wir verbinden Umwelt und soziale Gerechtigkeit, Bildung und zukunftsfähige Jobs. Die Menschen wollen Politik mit Werten, und wir leben diese Werte. Die Mitte ist grün.

Künast: Wir sind für eine echte Beteiligung der Bürger, für einen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln und für eine gesunde Zukunft ohne Stromimporte. Wer intelligent ist, kann doch nicht zwölf Jahren Laufzeitverlängerung und einem massiv wachsenden Atommüllberg zustimmen, oder einem Energiekonzept, das uns abhängig macht von Stromimporten. Nach dem Konzept der Bundesregierung müssen wir, heute ein Stromexport-Land, 2050 ein Fünftel unseres Stroms importieren. Wir sind für zukunftsfähige Jobs, für erneuerbare Energien, für Klimaschutz, für Chancengleichheit in der Bildung. Wir sind eine Für-Partei.

Klimaschutzpolitik wird aber auch als Kostenfaktor wahrgenommen. Ein Beispiel sind die erwarteten Strompreiserhöhungen wegen des Anstiegs der Umlage für Erneuerbare Energien. Müssten nicht auch die Grünen zugeben: Klimaschutz kostet Geld?

Künast: Glauben Sie wirklich, kein Klimaschutz kostet kein Geld? Unsere Wirtschafts- und Lebensweise hat doch zum Klimawandel geführt. Wir haben diese Kosten selbst verursacht. Wenn wir jetzt nichts tun, werden die Kosten in Zukunft um ein Vielfaches höher ausfallen. Mehr Menschen werden durch Hochwasser ihre Häuser verlieren, es wird mehr Ernteausfälle nach extremen Hitzeperioden im Sommer geben, ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Folgen, wenn Millionen Menschen vor immer größeren Dürrekatastrophen und Überschwemmungen fliehen müssen.

Also müssen wir steigende Strompreise für das Klima akzeptieren?

Künast: Das sind gleich zwei Irrtümer: Erstens ist Ökostrom nicht teurer, sondern in vielen Fällen billiger als Strom von RWE & Co. Zweitens: In Deutschland ist Strom nicht wegen dem Klimaschutz teuer, sondern weil wir keinen Wettbewerb haben. Mit dem schwarz-gelben Energiekonzept wurde das Oligopol der vier großen Stromkonzerne gefestigt, konkurrierende Stadtwerke und Erzeuger von erneuerbarer Energie stehen schlechter da, und die großen Vier bekommen auch noch durch die Laufzeitverlängerung eine Million Euro pro Tag und Atomkraftwerk geschenkt. Geben sie das an die Kunden weiter? Nein, das Geld wandert in die Taschen der Vorstände und Aktionäre.