Verfassungschutz: Auf dem rechten Auge blind?
Massive Vorwürfe gegen den Thüringer Verfassungsschutz.
Leipzig. Warum konnte die Zwickauer Neonazi-Gruppe jahrelang ungehindert morden und rauben? Die Ermittlungen zu den sogenannten Döner-Morden und dem Mord an einer Polizistin setzen vor allem den Thüringer Verfassungsschutz zunehmend unter Druck. Bevor Beate Zschäpe und ihre beiden Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 abtauchten, hatten sie im Visier der Sicherheitsbehörden gestanden. Selbst nachdem sich ihre Spur offiziell verlor, soll die inzwischen inhaftierte Frau Medienberichten zufolge Kontakt zu V-Leuten gehabt haben.
Bereits 1997 soll das Neonazi-Trio um Beate Zschäpe Bomben und Bombenattrappen in Jena deponiert und per Post versandt haben. Anfang 1998 hob die Polizei in einer Jenaer Garage ein Bombenlabor aus — spätestens da dürften die drei Rechtsextremen ins Blickfeld des Verfassungsschutzes geraten sein. Möglicherweise aber auch schon früher, denn sie gehörten dem rechtsextremen „Thüringer Heimatschutz“ an. 1998 gründete das Trio dann die rechtsextremistische Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ und tauchte ab — bis vergangene Woche, als Böhnhardt und Mundlos tot in einem ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden. Zschäpe stellte sich der Polizei.
Die Verfassungsschutzbehörden sowohl in Sachsen als auch in Thüringen betonten, sie hätten seit 1998 keine Spur zu dem Trio gehabt. Auch gebe es keinerlei Erkenntnisse über Geheimdienstverbindungen.
Nach bislang unbestätigten Berichten könnte es aber Kontakte zu mindestens einem rechten Spitzel des Verfassungsschutzes, Tino Brandt, gegeben haben. „Brandt hatte gute Kontakte zu dem Trio in der Phase des Untertauchens“, sagte der Rechtsextremismusexperte Hajo Funke. Laut „Bild“ fanden die Ermittler zudem in den Trümmern der Zwickauer Wohnung des Trios „legale illegale Papiere“, die nach Angaben des Unions-Innenexperten Hans-Peter Uhl in der Regel nur verdeckte Ermittler des Nachrichtendienstes erhalten.
Der Thüringer Verfassungsschutz sorgte in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Affären um rechte V-Männer für Schlagzeilen. Im Jahr 2000 flog der Neonazi Thomas Dienel als V-Mann auf. Ex-NPD-Landesvize Brandt war ebenfalls als V-Mann enttarnt worden.