Meinung Auch Justiz sollte moderne Technik nicht scheuen

Meinung · Zeugenaussagen sollten zuverlässig dokumentiert werden. Das dient auch dem Vertrauen in die Justiz.

In Landtagsdebatten wird jedes Wort protokolliert. Und auf deutschen Fußballplätzen gilt der Videobeweis für die Frage, ob es ein Tor war  oder nicht. Aber da, wo es für die Menschen so richtig ernst wird, in besonders wichtigen Strafverfahren vor den Landgerichten, da, wo über Schicksale entschieden wird, gilt: Wir vertrauen darauf, dass das, was der Richter sich notiert hat, schon so und nicht anders gesagt wurde. Das wirkt wie aus der Zeit gefallen.

So können die Richter sich für ihr Urteil aus dem bedienen, was sie aus dem in der Verhandlung Gesagten herausgehört haben. Statt sich auf das einzulassen, was zweifelsfrei und überprüfbar dokumentiert wurde. Dieses „überprüfbar“ ist wohl auch der Grund, warum sich Rechtspolitik und auch Teile der Justiz bisher nicht auf eine solche Reform einlassen wollen. Sie fürchten die unabsehbaren Folgen, die eine handfeste Überprüfbarkeit des in der Hauptverhandlung Gesagten mit sich brächte.

Da würde zum einen an der Autorität des Gerichts gerüttelt. Hinzu kommt die Befürchtung, dass Prozesse in endlose Längen gezogen würden. Zig Stunden Video- oder Audiomaterial, die angesehen werden müssten. Und dann auch wieder nicht nur vom Gericht, sondern auch von den anderen Prozessbeteiligten gewogen und debattiert würden, bevor es schließlich zum Urteil käme. Doch wer sagt, dass sich die Richter das alles vor ihrem Urteil noch mal anschauen müssten? Geht es zum Beispiel um einen Auslegungsstreit der Prozessbeteiligten um eine bestimmte Zeugenaussage, müsste doch nur zur Aufzeichnung des beispielsweise fünften Verhandlungstags, Stunde 2,4 „gespult werden“. Und schon ließen sich Gedächtnislücken und Auslegungsstreitigkeiten beheben.

Auch ließe sich das Argument umdrehen: Verfahren würden sich nicht notwendiger Weise verlängern, sondern es bestünde vielmehr die Chance zu einem schnelleren Verfahrensabschluss: Wenn ein Richter etwa wegen Krankheit ausfällt, droht die Gefahr, dass das Verfahren neu aufgerollt werden muss.  Könnte sich der richterliche Ersatzmann durch das Ansehen oder Anhören von Video- oder Audioprotokollen einarbeiten, wäre das nicht mehr nötig. Das wäre gerade bei umfangreichen Verfahren ein großer prozessökonomischer Fortschritt.

Wenn sich der Gesetzgeber schon nicht mit einer Audio- oder Videoprotokollierung anfreunden kann, so sollte wenigstens das jetzt schon vor dem Amtsgericht mögliche Wortprotokoll zum Standard auch vor dem Landgericht werden. Die Verschriftlichung der Tonaufnahme ist schließlich mit heutiger Technik leicht zu bewerkstelligen.