Wahlprogramm der Linke beim Europa-Parteitag
Wie die Linke beim Europa-Parteitag ihr Wahlprogramm glättet.
Hamburg. Karl Marx ist verschwunden. Der Parteitag der Linken steckt mitten in der Antragsdebatte zum Europa-Wahlprogramm, da wird die Schreckensnachricht vom Tagungspräsidium verkündet. Draußen im Foyer ist eine Statue des großen Vordenkers der Arbeiterbewegung „abhandengekommen“. Womöglich heiße es nun in den Medien „Marx auf Linken-Parteitag gekidnappt“, stöhnt die stellvertretende Vorsitzende Caren Lay.
Es sollte nicht der einzige Schönheitsfehler dieser Veranstaltung sein. Über Wochen hatten sich die linken und ganz linken Flügelkämpfer öffentlich darüber beharkt, ob die Europäische Union eine „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“ sei. Wenige Tage vor dem Konvent im Hamburger Congress-Centrum wurde die umstrittene Programmpassage dann auch mit Zustimmung radikaler Vertreter wie Sahra Wagenknecht gestrichen.
Doch Harmonie bedeutet das noch lange nicht. In Hamburg, so scheint es, wird diese Schlacht noch mal im Zeitraffer nachgestellt. „Was ist so falsch daran, die EU als militaristisch zu bezeichnen, da ist nichts falsch dran“, ruft zum Beispiel Wolfgang Gehrke empört in den Saal. Im Wahlkampf werde er diesen Standpunkt auch weiter vertreten. Gehrke war früher in der DKP. Heute sitzt er für die Linke im Bundestag und gehört zu den Mitverfassern der getilgten Formulierung. Wagenknecht wiederum kritisiert die Europäische Union als „Fassadendemokratie“, andere geißeln die „neoliberalen und militaristischen Verträge der EU“.
Und allesamt bekommen donnernden Applaus. Im Kern geht es um die Frage, ob die EU für die Linken aus Prinzip des Teufels ist, oder sich womöglich zum Guten wenden lässt.
Bei den Reformern in der Linkspartei werden die Reden fast durchweg weniger beklatscht. Doch das muss nichts heißen. Parteivize Katja Kipping und Fraktionschef Gregor Gysi beteuern einen pro-europäischen Kurs, zu dem auch die Rettung des Euro gehöre. Ihre Sichtweise setzt sich am Ende mit großer Mehrheit durch. Das Wahlprogramm, in dem die Linke nicht den Rückzug aus der Union, sondern den „Kampf um ihre Veränderung“ zur obersten Maxime erklärt, wird mit nur wenigen Gegenstimmen angenommen.
Bodo Ramelow, Oppositionsführer im Thüringer Landtag, scheint das alles wenig zu kümmern. Mitte September wird im Freistaat ein neuer Landtag gewählt. Und da könnte es passieren, dass Ramelow zum ersten dunkelroten Regierungschef eines Bundeslandes aufsteigt.