Corona Wann Impfungen in Arztpraxen durchstarten können
Die Erwartungen sind hoch, dass die schleppenden Impfungen bald Fahrt aufnehmen können - im breiten Netz der Praxen. Für die Umsetzung ist noch einiges zu klären. Beim Impfstoff ist extra Nachschub in Sicht.
Die Corona-Impfungen sollen mit der ab April geplanten Einbeziehung von Arztpraxen schrittweise deutlich an Tempo gewinnen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Mittwoch im ZDF mit Blick auf erwartete Dosen: „Die Impfmengen werden nicht gleich auf 20 Millionen im Monat oder gar auf 10 Millionen in der Woche wachsen.“ Im April werde es deutlich mehr Impfungen geben, aber noch nicht in dieser Größenordnung. Impfungen könnten in den Praxen der Hausärzte auch flexibler erfolgen. „Die Ärztinnen und Ärzte kennen ja ihre Patienten und wissen ja, wer zuerst zu impfen ist.“ Nächster Schritt seien dann auch Impfungen in Unternehmen durch Betriebsärzte.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollten am Mittwoch über weitere Details und den genauen Starttermin für eine Einbeziehung der Praxen beraten. Am Montag hatten sie sich bereits auf den Zeitraum Anfang April geeinigt. Die Fachminister wollen auch klären, wie die erwarteten Dosen auf die regionalen Impfzentren in den Ländern und die Praxen verteilt werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Gesundheitsminister erfuhr. Der bürokratische Aufwand für die Praxen solle auf ein Minimum reduziert werden.
Bislang laufen die Impfungen vorrangig in Impfzentren und mit mobilen Impfteams, die etwa in Pflegeheime fahren. In einigen Ländern gibt es auch schon Modellprojekte für Impfungen in Praxen. Bisher sind gut drei Prozent der Menschen in Deutschland vollständig zweimal geimpft, eine erste Impfung haben 6,7 Prozent erhalten. Etwa 8,1 Millionen Dosen wurden seit Impfstart kurz vor dem Jahreswechsel verabreicht.
Wegen des vorerst knappen Impfstoffes gilt eine Reihenfolge bei den Impfungen - Priorität haben Ältere, Gesundheitspersonal mit hohem Ansteckungsrisiko und Menschen mit bestimmten Erkrankungen. Spahn sagte: „Ich habe ein sehr hohes Vertrauen in die Ärztinnen und Ärzte, dass sie zuerst diejenigen Patienten impfen werden, die auch am meisten gefährdet sind.“ Eine Priorisierung sei generell auch weiterhin notwendig. „Menschenleben retten ist keine Bürokratie.“
Nach Kritik am schleppenden Impfstart werden zusehends steigende Impfstoffmengen erwartet - und nun noch kurzfristiger Nachschub. Die Hersteller Biontech und Pfizer wollen in den nächsten beiden Wochen vier Millionen Dosen zusätzlich an die Europäische Union liefern, wie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Brüssel sagte. Man habe das Zusatzpaket ausgehandelt, damit EU-Staaten in Corona-Hotspots impfen und ansteckendere Virusvarianten bremsen könnten. Vom Zusatzkontingent könnte Deutschland nach dem internen EU-Verteilschlüssel 18,6 Prozent bekommen, also 740 000 Dosen. Die Bundesregierung muss entscheiden, ob sie von dieser Option Gebrauch macht und wie die Mengen auf die Bundesländer verteilt würden.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte nach der Mitteilung der EU an, dass die bayerischen Corona-Hotspots an der Grenze zu Tschechien kurzfristig noch einmal 100.000 zusätzliche Dosen Impfstoff bekommen sollten. Damit gebe es mit den schon versprochenen Sonderzuteilungen insgesamt 150.000 Dosen zusätzlich für die von der britischen Virusvariante besonders betroffenen Grenzregionen.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hält es für möglich, dass in Deutschland ab April 20 Millionen Menschen monatlich geimpft werden können. Eine Erstimpfung für die erwachsene Bevölkerung könne dann in der ersten Juni-Hälfte, die weitgehende Immunisierung Anfang August abgeschlossen sein, sagte Gassen der „Welt“ (Mittwoch). Voraussetzung dafür sei ein rascher Nachschub an Impfstoff. Mit fünf Millionen verimpften Dosen pro Woche in den Praxen und etwa 1,5 Millionen Impfungen in den Zentren sei „ein deutlich früherer Termin als der 21. September“ erreichbar. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte davon gesprochen, allen erwachsenen Bürger bis dahin - zum Ende des Sommers - ein Impfangebot machen zu wollen.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte der „Rheinischen Post“ (Mittwoch): „Sobald wir ausreichend Impfstoff für alle haben, sollten Haus- und Fachärzte auch selbst über die Impfreihenfolge entscheiden dürfen. Sie wissen am besten, welche ihrer Patienten besonders gefährdet sind“. Zu viele Vorgaben und Prüfverfahren hielten nur unnötig auf. Auch Betriebsärzte könnten eine wichtige Rolle spielen. Die bundesweit 12.000 Werksmediziner könnten „pro Monat etwa fünf Millionen Beschäftigte impfen“, sagte die Vizepräsidentin des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Anette Wahl-Wachendorf, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch).