Wer schoss MH 17 ab?
Malaysische Passagiermaschine stürzt über umkämpften Gebiet in der Ukraine ab.
Kiew. Rauchsäulen im Abendhimmel, brennende Wrackteile, verstümmelte und verkohlte Leichen, weit verstreut in einem Umkreis von fast 15 Kilometern. So beschrieben Augenzeugen gestern Abend die dramatischen Szenen zwischen den Ortschaften Grabovo und Schachtarsk im umkämpften Osten der Ukraine. Die blutige Krise dort hatte sich am Nachmittag auf tragische Weise erneut zugespitzt. Eine malaysische Passagiermaschine, die um 12.30 Uhr in Amsterdam gestartet und auf dem Weg nach Kuala Lumpur war, stürzte in der Region, in der seit Monaten heftige Gefechte zwischen prorussischen Milizen und Regierungstruppen toben, ab. MH 17 zerschellte am Boden.
An Bord der Boeing 777, die in 10 000 Meter Höhe flog, waren 295 Menschen, darunter fast 70 Niederländer, 23 US-Amerikaner und zwei Belgier. Sie seien alle bei der Katastrophe ums Leben gekommen, meldeten russische Agenturen. Der niederländische Premier Mark Rutte brach eine Auslandsreise ab. „Ich bin zutiefst geschockt von den dramatischen Berichten.“
Die Fluglinie Malaysia Airlines bestätigte gestern zunächst nur, dass sie den Kontakt zu der Maschine verloren habe. Dennoch wurden sofort Vermutungen laut, die Boeing sei in dem Kampfgebiet von einer Rakete getroffen worden. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko gab diesen Spekulationen Nahrung. Es handele sich um einen terroristischen Akt. „Die Schuldigen für müssen bestraft werden“, forderte er.
Ein Experte des ukrainischen Innenministeriums ging stärker ins Detail. „Die Maschine wurde abgeschossen“, erklärte Anton Geraschtschenko und behauptete, die todbringende Rakete sei von einem Buk-Flugabwehrsystem sowjetischen Typs abgefeuert worden. Bei diesen Waffen wird ein radargesteuerter Sprengkopf in der unmittelbaren Nähe eines fliegenden Ziels zur Explosion gebracht und „durchsiebt“ es regelrecht. Beweise für Geraschtschenkos Abschussversion gab es gestern Abend allerdings zunächst nicht.
Der frühere Boxweltmeister und heutige Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, zeigte sich betroffen: „Das ist eine Tragödie dramatischen Ausmaßes, die die ganze Welt betrifft.“
Ein Sprecher der Separatisten bestritt, dass die Aufständischen über Waffen wie das Buk-System verfügen und machte seinerseits die ukrainischen Streitkräfte für den angeblichen Abschuss verantwortlich. Allerdings hatten die prorussischen Kräfte nach Moskauer Medienberichten vor wenigen Wochen erklärt, Flugabwehrsysteme aus alten Sowjetbeständen erbeutet zu haben.
Ob es schnell Klarheit über den Hergang der Katastrophe gibt, ist auch deshalb ungewiss, weil Retter und Experten zunächst nicht in die umkämpfte Region vordringen konnten, die von den Aufständischen kontrolliert wird. Die Absturzstelle soll 80 Kilometer östlich von Donezk liegen.
Die Katastrophenmeldung reihte sich gestern an weitere dramatische Nachrichten aus dem Krisengebiet, die einen Abschuss des zivilen Flugzeugs noch wahrscheinlicher machen. Am Mittag hatte der Nationale Sicherheitsrat in Kiew der russischen Luftwaffe vorgeworfen, einen ukrainischen Kampfjet vom Typ Suchoj SU-25 über ukrainischem Territorium abgeschossen und damit einen kriegerischer Akt begangen zu haben. Die russische Regierung wies die Darstellung zurück.