Interview Wohin mit dem Atommüll?

Berlin. · Wolfram König, Chef des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit, spricht im Interview über die schwierige Suche nach einem Endlager.

Ein Mitarbeiter der Gesellschaft für Zwischenlagerung steht mit einem mobilen Gerät zur Messung der Neutronendosisleistung im atomaren Zwischenlager Gorleben.

Foto: dpa/Sina Schuldt

Seit 25 Jahren schon beschäftigt sich Wolfram König mit Atommüll, darunter viele Jahre als Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz. Jetzt leitet der frühere Grünen-Politiker das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, das dafür garantieren soll, dass die Suche nach einem Atommüll-Endlager korrekt verläuft.

Herr König, Sie sind durch 15 Landeshauptstädte getourt und haben erklärt, wie die Endlagersuche von statten geht. Haben die Menschen Vertrauen in den Prozess?

Wolfram König: Die Grundlagen dafür werden akzeptiert. Also die Ergebnisse der Endlager-Kommission, das Standortauswahlgesetz und auch die neue Organisationsstruktur. Die Menschen verstehen, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und sehr viel Wert auf Transparenz und Beteiligung legt.

Sie spielen auf Gorleben an. Welche Fehler sind dort gemacht worden?

König: Es gab keine klaren, vorher definierten Kriterien. Im Gegenteil, es entstand der Eindruck, dass man nach dem jeweiligen Stand der Erkundungsarbeiten die Kriterien politisch angepasst hat – so etwas ist tödlich für die Glaubwürdigkeit einer Entscheidung. Jetzt läuft es anders herum. Der Politik wird ein wissenschaftlich begründeter Vorschlag gemacht werden, für den klare Kriterien vor Beginn der Suche im Gesetz benannt worden sind. Auf dieser Basis muss sie dann entscheiden.

Ende dieses Jahres sollen einzelne Regionen als ungeeignet aussortiert werden. Was bedeutet, dass die, die im Rennen bleiben, Endlagerstandort werden könnten. Ist dann Schluss mit der Harmonie?

König: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH wird laut eigenem Bekunden in diesem Jahr einen Zwischenbericht veröffentlichen und zur Diskussion stellen. Dort benennt sie Gebiete, die aus Sicht des Unternehmens als nicht geeignet erscheinen. Welche Gebiete weiter erkundet werden sollen, schlägt sie  erst nach weiteren Untersuchungen vor, auch unter Beteiligung der Regionen. Es gibt also mit dem Zwischenbericht keine schnelle Vorentscheidung. Aber klar: Die Aufmerksamkeit wird dann stark zunehmen.

Können Sie dafür garantieren, dass diese Vorauswahl korrekt laufen wird?

König: Als Atomaufsicht habe ich penibel darauf zu achten, dass im Laufe der Suche die strengen Gesetzesvorgaben beachtet werden. Ih dränge darauf, dass alle Grundlagen, die zu den Zwischenergebnissen führen, offen gelegt werden. Das Nationale Begleitgremium aus Bürgern und Experten wird den Prozess ebenfalls sehr kritisch begleiten. Es darf nicht einmal der Eindruck entstehen, dass hinter verschlossenen Türen andere Kriterien angelegt worden sind, als im Gesetz stehen.

Sie sind Mitglied der Grünen. Manche Grüne sagen: Wir waren immer gegen Atomkraft. Wieso sollen wir uns um den Müll kümmern?

König: Das Problem wird nicht gelöst, indem man die Augen zu macht oder auf die eigene Biografie verweist. Die Endlagerung liegt in der Verantwortung unserer Generation. Auch als Atomkraftgegner kann sich keiner dieser Aufgabe entziehen.

Viele hoffen auf alternative Lösungen. Etwa auf technische Neuentwicklungen, die den Müll unschädlich machen. Manche wollen ihn ins Weltall schießen.

König: Es ist menschlich, unangenehmen Aufgaben auszuweichen oder sie in die Zukunft zu verlagern. Andere technische Lösungen für das Atommüllproblem mag es in der Zukunft geben. Darauf zu hoffen, bleibt ein ungedeckter Scheck. Um sie nicht generell auszuschließen, sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass der Müll 500 Jahre lang rückholbar sein muss. Keine der genannten Alternativen kann garantieren, dass der Müll dadurch dauerhaft sicher von der Biosphäre abgeschlossen aufbewahrt wird.

Wenn man Ihnen zuhört, wirkt das alles beherrschbar. Sind Sie sicher, dass es das ist?

König: Diese Frage hätten sich diejenigen stellen sollen, die in diese Technologie eingestiegen sind und die damit viel Geld verdient haben. Unsere Aufgabe heute ist es, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik und den Vorgaben des Gesetzes die größtmögliche Sicherheit zu bieten. Gleichzeitig müssen wir uns auch immer für Fragen und Zweifel öffnen. Für beides arbeite ich.

Ist es realistisch, dass die Atomenergie durch technische Verbesserungen doch noch eine Renaissance bekommt?

König: Realistisch ist nur, dass man mit dieser Debatte in Deutschland alte Konfliktgräben öffnet. Der Atomausstieg hat überhaupt erst den breiten Konsens zur Endlagersuche möglich gemacht. Die anfallenden Atommüllmengen sind damit begrenzt und die Endlagerung wird nicht länger als Voraussetzung für den Weiterbetrieb einer Hochrisikotechnologie gesehen. Ich bin überzeugt, dass rückwärts gerichtete Perspektiven der dringend notwendigen Sicherheit zuwiderlaufen.