Zweifel an Schäuble wachsen
Eklat: Nach dem Rückzug seines Sprechers ist eine Debatte über den Umgang des Ministers mit seinem Personal entbrannt.
Berlin. Das Unbehagen ist spürbar. Vertraute der Regierungschefin weichen gestern konstant der Frage aus, was sie denn über die Zustände im Finanzministerium denken. "Offer ist doch nur eine Symbolfigur", meint einer, der die Verhältnisse im Haus an der Wilhelmstraße seit Jahren kennt.
Ressortchef Schäuble (CDU) lasse "niemanden an sich heran". Er regiere sein Haus "nach Gutsherrenart". Ähnlich wie in anderen Ressorts versorge der Minister seine Mitarbeiter nur mit Informationsbröckchen. Darunter leidet vor allem das Pressereferat, das Michael Offer bis gestern, zehn Uhr, leitete.
Ursprünglich hatte es am Montag noch geheißen, Offer könne auch nach der aufsehenerregenden Szene als Sprecher im Amt bleiben: Schäuble hatte seinem 51-jährigen Sprachrohr am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Finanzministerium vor laufenden Kameras die Leviten wegen nicht rechtzeitig verteilter Unterlagen zur Haushaltssituation des Bundes gelesen und sich geweigert, mit der Pressekonferenz zu beginnen, bevor die Unterlagen verteilt waren.
Die Szene des Wutausbruchs ist inzwischen mehr als 330000 Mal bei "YouTube" im Internet angeklickt worden. Der als politisch vorlaut geltende schleswig-holsteinischer FDP-Chef Wolfgang Kubicki befand: "Der Mann steht unter Drogen." Das brachte ihm einen lautstarken Anpfiff seines Parteivorsitzenden Guido Westerwelle ein.
Offer und Schäuble hatten sich am Montag zu einem klärenden Gespräch verabredet, nachdem der Minister in einem Interview "vielleicht" eine "Überreaktion" eingeräumt hatte, was aber nicht als Entschuldigung interpretiert wurde. Am Ende stand die Erkenntnis, dass "das Tischtuch zerschnitten" war, wie es einer aus Schäubles Umgebung formulierte. Der Dank des Ministers für Offer bestand aus einer kargen Fünf-Zeilen-Erklärung, in der er für "unermüdlichen Einsatz" und "Loyalität" dankte. Diese nüchterne Wortwahl ist in der Belobigungsskala "tief unten angesiedelt", wie man im Ministerium hören konnte.
Im Kanzleramt wird nun wieder die Frage nach der Befähigung des 68-jährigen Haushaltschefs gestellt. Mehrfach war er in den vergangenen Wochen krankheitsbedingt ausgefallen.
Zuletzt musste er sich fast vier Wochen lang in einem Krankenhaus wegen der Folgen des Attentates behandeln lassen, das ihn seit fast zwei Jahrzehnten an den Rollstuhl fesselt. In dieser Zeit war es maßgebend seinem Sprecher zu verdanken, dass nicht der Eindruck eines finanzpolitischen Machtvakuums entstanden ist. Offer hatte seinem Minister schon während eines früheren Krankenhaus-Aufenthaltes massenhaft Interviews organisiert, um den Eindruck von politischer Normalität zu erzeugen.